Zankapfel Kraftwerk
Die Kraftwerkstechnologie ist in der Klima- Debatte schon lange ein Zankapfel. Kohle-Neubauprojekte schüren die Sorgen ums Klima.
Zankapfel Kraftwerk
München/Berlin (dpa) - Die Kraftwerkstechnologie ist in der Klima- Debatte schon lange ein Zankapfel. Umweltschützer werfen Konzernen und Politik vor, noch immer zu stark auf vergleichsweise schmutzige und ineffiziente Kohlekraftwerke zu setzen und zu wenig für die Erschließung erneuerbarer Energien zu tun. Dagegen wehrt sich die Industrie: Ohne die Kohle lässt sich aus ihrer Sicht eine wirtschaftliche Energieversorgung nicht sichern, und das erst recht nicht, wenn es beim Atomausstieg bleibt. 53 Kraftwerke sind derzeit in Deutschland nach Angaben des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) in Bau oder Planung, davon 23 Kohlekraftwerke - eine Zahl, die auch Wirtschaftsforscher angesichts der langen Laufzeiten mit Besorgnis sehen: «Damit werden die Ziele zur CO2-Reduzierung nicht zu erreichen sein», warnt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.
Am Pranger stehen besonders Braunkohle-Kraftwerke, die mit einem besonders hohen CO2-Ausstoß als Klimakiller Nummer eins unter den Anlagen gelten. Insgesamt hat die Kohle einen Anteil von 46 Prozent an der Stromerzeugung in Deutschland. Energiekonzerne wie RWE wollen auf sie auch künftig nicht verzichten. «Braunkohle ist der einzige heimische und subventionsfreie Energieträger, den wir haben», sagt ein RWE-Sprecher. Mit Milliarden-Investitionen werde man in den kommenden Jahren dafür sorgen, dass die CO2-Emissionen im Vergleich zu Alt-Anlagen deutlich gesenkt werden könnten. Auch eine VDEW-Sprecherin betont: «Jede neue Anlage ist ein Effizienzgewinn für die Umwelt, weil sie zwischen 20 und 30 Prozent sparsamer arbeitet, als alte Anlagen.»
Nach Darstellung von Experten ist der deutsche Kraftwerkspark mit einer installierten Leistung von 132.000 Megawatt derweil vergleichsweise modern. Der weltweit durchschnittliche Wirkungsgrad liege bei rund 30 Prozent und Deutschland mit einem Wirkungsgrad von im Mittel um die 40 Prozent an der Spitze. Vor allem mit Blick auf den Energiehunger in Ländern wie China glauben Experten, dass sich mit neuen Technologien wie der Abtrennung und unterirdischen Einlagerung des klimaschädlichen Kohlendioxids zumindest Zeit gewinnen lässt. Das Dilemma dabei: Das Verfahren geht zunächst einmal auf Kosten des Wirkungsgrades. Letztlich kann daher ein wirkungsvolles Umsteuern nur in einer Kombination aus dem Ersatz alter Anlagen und der Nutzung alternativer Energien liegen, heißt es.
Daran glaubt auch Klaus Hassmann, Sprecher des bayerischen Clusters Energietechnik. Der Schlüssel liege zunächst einmal in der Steigerung der Wirkungsgrade. Ein Weg dafür ist die Vortrocknung der Braunkohle vor der Verbrennung, ein anderer der Einsatz neuer Legierungen in Kraftwerken, die höheren Dampftemperaturen und Drücken standhalten, um so die Stromausbeute zu erhöhen. Im Gelsenkirchener Steinkohlekraftwerk Scholven testen Ingenieure die Komponenten für ein solches so genanntes 700-Grad-Kraftwerk. Auf um die 50 Prozent lässt sich der Wirkungsgrad durch die Verfahren jeweils steigern, sagt Hassmann.
Auch der Elektrokonzern Siemens erforscht Wege zur besseren Energieausbeute: Vor zwei Jahren präsentierten Siemens-Techniker den weltweit ersten Generator auf Basis von Hochtemperatur-Supraleitern. Diese Materialien lassen elektrischen Strom vollkommen verlustfrei passieren, wenn sie - anders als der Name vermuten lässt - tiefgekühlt werden. Dadurch halbieren sich in dem Erlanger Generator die Verluste. Das für Schiffe konzipierte Vier-Megawatt-Modell erspart der Atmosphäre nach Berechnungen von Projektleiter Bernd Wacker im Vollastbetrieb 400 Kilogramm Kohlendioxid pro Tag.
Doch Umweltschutzorganisationen wie dem WWF ist das alles nicht genug. Sie halten eine deutlich dezentralere Energieerzeugung nah am Verbraucher für überfällig. Ein Beispiel dafür: Die Verbreitung der Kraft-Wärme-Kopplung, bei der Strom und Wärme erzeugt und der Wirkungsgrade von mehr als 80 Prozent zugeschrieben werden. Bisher gilt etwa das Fehlen von Fernwärmenetzen als Hindernis für eine breite Nutzung. WWF-Experte Matthias Kopp ist aber überzeugt: «Technisch machbar ist das sicherlich, es ist aber auch eine Frage des politischen Willens.» Für Kopp steht jedenfalls fest: «Die Optimierung von Kraftwerken nach dem jeweils neuesten Stand der Technik allein reicht niemals aus, um die CO2-Problematik zu lösen.»
Christine Schultze, dpa
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