09.05.2023 • BiophysikMedizinphysik

Zeitaufgelöste Kristallographie für jedermann

Neuer „Spitrobot“ ermöglicht vereinfachte Beobachtung von Veränderungen in Proteinen – während diese ihre Funktionen ausüben.

Wissenschaftler aus vier Forschungs­einrichtungen in Hamburg haben einen bahn­brechenden Versuchs­aufbau entwickelt. Ihr neuer „Spitrobot“ erlaubt eine erheblich vereinfachte Beobachtung von Veränderungen in Proteinen während diese ihre Funktionen ausüben. Damit wird die zeit­auf­gelöste Kristallo­graphie auch für nicht spezialisierte Forscher­gruppen zugänglich, denn die Proben können nun in Standard­laboren vorbereitet und an anderer Stelle mit automa­ti­sierten, etablierten Hoch­durch­satz­methoden bearbeitet werden. Das Gerät wird die Grundlagen­forschung im Gesundheits­bereich beschleunigen.

Abb.: Diese Wissen­schaftler haben den bahn­brechen­den Versuchs­aufbau...
Abb.: Diese Wissen­schaftler haben den bahn­brechen­den Versuchs­aufbau feder­führend ent­wickelt: von links nach rechts Friedjof Tell­kamp, Pedram Mehrabi und Eike Schulz. (Bild: J. Harms, MPSD)

Für die Entwicklung künftiger Medikamente und neuer biotechno­logischer Anwendungen ist es von grund­legender Bedeutung, dass Wissen­schaftler Veränderungen in Proteinen verstehen, während diese statt­finden. Bislang können zwar der Anfang und das Ende der Reaktion betrachtet werden, meist fehlen jedoch die vielen Zwischen­schritte. Der einfachste Weg, diese Schritte zu visua­li­sieren, besteht darin, Schnapp­schüsse des Proteins während der gesamten Reaktion aufzunehmen. Viele solcher Schnapp­schüsse zusammen­ge­nommen ergeben dann eine Art 3D-Film, der die Veränderungen der Protein­struktur zeit­auf­ge­löst aus allen Blickwinkeln zeigt.

Momentan erfordern solche Experimente den direkten Zugang zu Teilchen­beschleunigern sowie komplexe Versuchs­aufbauten, die vielen Forschern nicht zur Verfügung stehen. Deshalb haben Wissen­schaftler der Uni Hamburg, des MPI für Struktur und Dynamik der Materie, des Europäischen Laboratoriums für Molekular­biologie und des Universitäts­klinikums Hamburg-Eppendorf eine andere und weitaus zugäng­lichere Alternative entwickelt – eben den Spitrobot.

Der Roboter vereinfacht den gesamten Proben­vor­bereitungs­prozess dramatisch, von der anfäng­lichen Fixierung der Protein­kristalle und dem Starten der Reaktion bis hin zur präzisen Vitri­fi­zierung der Proteine in verschiedenen Stadien ihrer Umwandlung. Die Reaktionen werden durch einfaches Aufsprühen der Substrat­lösung auf das Target eingeleitet – eine Technologie, die zuvor vom selben Team entwickelt wurde. Durch die Vitri­fi­zierung der Proben entkoppelt der Spitrobot die Proben­vor­bereitung von der Daten­erfassung.

Die Verwendung von Industrie­standards gewährleistet den bequemen Versand der Proben und ihre Kompati­bi­lität mit den an Synchrotrons und anderen Einrichtungen üblichen Hoch­durch­satz­routinen. So kann das Experiment in Standard­labors ohne unmittel­baren Zugang zu Lichtquellen durch­ge­führt werden, was für die meisten Forschern in der Struktur­biologie einen bedeutenden Vorteil darstellt.

„Der Spitrobot wird die Erforschung enzyma­tischer Mechanismen erheblich beschleunigen“, so Pedram Mehrabi von der Uni Hamburg. „Er ermöglicht es nicht­speziali­sierten Gruppen, Experimente durch­zu­führen, die bisher nur von Experten durch­geführt werden konnten. Dies sollte zu einer viel breiteren Anwendung eines wirklich schwierigen Experiments führen.“

„Wir haben den Spitrobot mit Blick auf das typische struktur­biologische Labor entwickelt“, erklärt Eike Schulz vom UKE. „Deshalb haben wir eine viel­seitige, robuste und einfache Lösung angestrebt, die es ermöglicht, sowohl mit großen als auch mit kleinen Kristallen zu arbeiten und die einfachste Art der Reaktions­auslösung mit der Fähigkeit kombiniert, die Zeitskalen der meisten Enzyme abzudecken. Damit kann nun ein breiteres Spektrum an Frage­stellungen von der Biotechno­logie bis hin zur medizinischen Grund­lagen­forschung von viel mehr Forschungs­gruppen bearbeitet werden.“

MPSD / RK

Weitere Infos

 

ContentAd

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe
ANZEIGE

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Die HiPace 10 Neo ist ein effizienter, kompakter Allrounder für den Prüfalltag, der geräuscharm und besonders energieeffizient ist.

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

Meist gelesen

Themen