16.03.2021

Zerfall von Lithium-6 extrem genau vermessen

Elektronenbeschleuniger ermöglicht Bestätigung theoretischer Vorhersagen.

In der Natur vorkommende Atomkerne bestehen aus Protonen und Neutronen, die durch die starke Wechselwirkung zusammen­gehalten werden. Eine moderne Theorie dieser Kräfte, die an der TU Darmstadt innerhalb des Sonderforschungs­bereichs 1245 – Atomkerne: Von funda­mentalen Wechsel­wirkungen zu Struktur und Sternen – entwickelt wird, hat das Ziel, alle Eigen­schaften von Atomkernen zu beschreiben. Anfang des letzten Jahrzehnts war die Kernphysik-Theorie so weit fortge­schritten, dass die Berechnungen für einen einzigartigen angeregten Zustand des Isotops Lithium-6 (6Li) präziser zu sein schienen als der experimentelle Wert. Insbesondere beinhaltete die Theorie einen Effekt, der die Lebensdauer dieses Zustandes um ein paar wenige Prozentpunkte beeinflussen sollte. Um nachzuprüfen, ob das tatsächlich der Fall ist, wurde ein neues Hochpräzisions­experiment durchgeführt. Gleichzeitig haben die Theoretiker der TU die Berechnung dank neuer Fortschritte durchführen können. Ein umfassendes Modell der Kernkräfte sollte sich nahtlos in das heute vorherr­schende System aus Elementar­kräften der Physik einfügen. Diese „Chirale Effektive Feldtheorie“ hat die Eigenschaft, dass sie sich schrittweise verbessern lässt.

Abb.: Blick auf den supra­leitenden Darmstädter...
Abb.: Blick auf den supra­leitenden Darmstädter Elektronen-Linear­beschleuniger S-DALINAC. (Bild: J. C. Hartung, TU Darmstadt)

Das Isotop 6Li, das aus jeweils drei Protonen und Neutronen besteht, genießt einen besonderen Status. Es ist das einfachste System aus Kernteilchen, dessen angeregter Zustand durch Aussenden eines Photons zerfallen kann, also sehr gut für einen Test von funda­mentalen Theorien geeignet ist. Es war schon abzusehen, dass die nächste Verbesserungs­stufe der Theorie so präzise sein würde, dass die bisherigen Messdaten nicht mehr ausreichen, um die Qualität der Vorhersagen zu beurteilen. Daher wurde am supra­leitenden Darmstädter Elektronen-Linear­beschleuniger S-DALINAC des Instituts für Kernphysik ein Hochpräzisions­experiment zur Messung der Lebensdauer dieses Zustandes von 6Li durchgeführt. Durch den Elektronen­strahl des Linear­beschleunigers können Photonen mit der millionenfachen Energie von sichtbarem Licht erzeugt werden, die zur Anregung von 6Li notwendig sind.

Mitarbeiter der Arbeitsgruppe um Norbert Pietralla verbesserten eine etablierte Messmethode entscheidend, sodass sie die Lebensdauer mit einer Genauigkeit von zwei Attosekunden bestimmen konnten. Der Erfolg der Messung war davon abhängig, wie das verwendete Lithium­carbonat-Material die Absorption von Photonen beeinflusst. Hier konnte die Arbeitsgruppe um Karsten Albe vom Fachgebiet Material­modellierung entscheidende Beiträge leisten. Begleitend zum experi­mentellen Fortschritt, erzielte ein Doktoranden-Team zusammen mit nationalen und inter­nationalen Kollegen einen Durchbruch und erreichten die erwartete hohe Präzision der theoretischen Vorhersagen. „Ein Vergleich des experi­mentellen Ergebnisses mit der theoretischen Vorhersage zeigte eine hervor­ragende Übereinstimmung“, berichtet Udo Friman-Gayer, der während seiner Promotion an diesem Thema gearbeitet hat.

Im Rahmen des SFB 1245 und des kürzlich gestarteten LOEWE – Projekts „Nukleare Photonik“ sollen künftig die Anwendbarkeit der neuen Mess­methode und der verbesserten Theorie erweitert werden, um der Antwort auf funda­mentale Frage­stellungen wie nach der Entstehung der Elemente im Universum näher­zukommen.

TU Darmstadt / JOL

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