Zersplitterte Bleicluster
Kleine Cluster aus Bleiatomen zeigen ungewöhnliches Zerfallsverhalten.
Greifswalder Physiker haben den Zerfall von Bleiteilchen im Subnanobereich untersucht und überraschende Erkenntnisse zu ihrem Zerfallsverhalten gewonnen. Zwischen Atomen und Festkörpern liegen Cluster, d.h. Teilchen, die aus wenigen bis hin zu einigen tausend Atomen bestehen. Aufgrund ihrer Größe weisen sie Eigenschaften auf, die sowohl von den einzelnen Atomen als auch von ausgedehnten Festkörpern abweichen. Schon das Entfernen oder Hinzufügen eines einzelnen Atoms kann die Eigenschaften eines Clusters völlig verändern. Die Untersuchung dieser Eigenschaften ist eines der Hauptforschungsgebiete der Arbeitsgruppe Atom- und Molekülphysik des Instituts für Physik der Universität Greifswald.
Abb.: In der Grafik ist der Beschuss von in einer Penning-Ionenfalle gefangenen Bleiteilchen schematisch dargestellt. (Bild: S. König)
Für die neuen Untersuchungen haben die Forscher einen hochreinen Draht aus Blei mit einem Laser bestrahlt. Dies führt zur Bildung eines Plasmas aus Elektronen und Bleiatomen, welches anschließend stark abgekühlt wird, so dass sich die Bleiatome aneinander anlagern können. Die so entstandenen, elektrisch geladenen Cluster werden in Ionenfallen gefangen, für die Messungen präpariert und mit einem Massenspektrometer nachgewiesen.
Bei den negativ geladenen kleinen Bleiclustern aus knapp zwanzig bis fast vierzig Atomen konnte schon bei Elektronen- und bei Laserbeschuss ein Zerfallsverhalten beobachtet werden, dass von anderen Metallen abweicht: Während bei Kupfer-, Silber- und Goldclustern jeweils nur einzelne neutrale Atome oder das überzählige Elektron abgegeben werden, zerfallen die Bleicluster in größere Bruchstücke. Erst bei größeren Bleiclustern verschwindet der Zerfall in größere Bruchstücke zugunsten der bekannten Abdampfung einzelner Atome, was auch von Modellen kleiner Metallkügelchen vorhergesagt wird.
Die Experimente mit Elektronenstrahlen und Lasern wurden nun vor kurzem kombiniert. Dabei wurde zum ersten Mal eine Spaltung von zweifach negativ geladenen Metallclustern in jeweils einfach geladene kleinere Cluster beobachtet. Damit setzt sich offensichtlich das von den Edelmetallen abweichende Zerfallsverhalten fort, ebenso wie die Rückkehr zu dem erwarteten Verhalten bei den größeren Clustern. Dies lässt nun vermuten, dass sich auch andere Eigenschaften der Teilchen verändern. So legen die Beobachtungen nahe, dass es bei der Vergrößerung der Bleicluster einen Übergang vom Halbleiter zum Metall gibt, während auch schon kleinste Edelmetallcluster eher metallisch sind.
Für solche Erkenntnisse der Grundlagenforschung interessieren sich unter anderem Werkstoffforscher, die nach Materialien mit besonderen Eigenschaften suchen. Von Nanoteilchen erwartet man hier neue Impulse. Im Idealfall könnte man die Materialeigenschaften mittels der Clustergrößen kontrollieren – auch wenn die jetzigen Ergebnisse noch etliche Schritte von einer konkreten Anwendung entfernt sind.
U. Greifswald / DE