19.07.2017

Zittrige Protonen

Hydratisierte Protonen zeigen ultraschnelle Bewegungen und kurzlebige Strukturen.

Säuren entlassen Protonen in eine wässrige Umgebung, in der sie hochbeweglich sind und den Transport elektrischer Ladung dominieren. In biologischen Systemen ist der Konzentrations­gradient von Protonen über Zell­membranen die treibende Kraft der Zellatmung und Energie­speicherung. Selbst nach Jahrzehnten intensiver Forschung sind jedoch die molekularen Geometrien des Protons in Wasser und die Elementar­prozesse der Protonen­dynamik hoch kontrovers geblieben.

Abb.: Chemische Struktur hydratisierter Protonen im Wasser (Bild: MBI Berlin)

Protonen in Wasser werden üblicherweise durch zwei Grenzstrukturen beschrieben. Im Eigen-Komplex (H9O4+) ist das Proton Teil des zentralen H3O+-Moleküls, das von drei Wassermolekülen umgeben ist. Im Zundel-Kation (H5O2+) bildet das Proton zwei starke Wasserstoff­brücken mit zwei benachbarten Wasser­molekülen. Zur Beschreibung dieser Systeme auf molekularem Niveau wird die Energiepotentialfläche des Protons verwendet, die sich für die beiden Geometrien deutlich unterscheidet. Für den Eigen­komplex erwartet man ein anharmonisches Potential mit einem Minimum, während die Zundel­geometrie ein Doppel­minimum-Potential aufweisen sollte. In Wasser sind solche Potentiale hochdynamisch und fluktuieren auf schnellen Zeitskalen, ein Verhalten, das durch thermische Bewegungen der umgebenden Wasser­moleküle und des Protons verursacht wird.

Wissenschaftler des Max-Born-Instituts in Berlin und der Ben Gurion University of the Negev in Beer-Sheva, Israel, haben jetzt die ultra­schnellen Bewegungen und transienten Strukturen von Protonen in Wasser unter Umgebungs­bedingungen sichtbar gemacht. Sie berichten experimentelle und theoretische Ergebnisse in der Zeitschrift Science, welche das Zundel-Kation als die in Wasser vorherrschende Spezies identifizieren. Die Femto­sekunden­dynamik der Proton­bewegungen wurde mit Hilfe der Schwingungs­übergänge zwischen den Quanten­zuständen des Protons in Echtzeit aufgezeichnet. Die besonders aussage­kräftige Methode der zwei­dimensionalen Schwingungs­spektroskopie stellt den ersten direkten Nachweis des Doppel­minimum-Charakters des Proton­potentials in nativer wässriger Umgebung dar.

Die Ausrichtung beider Konturen entlang der vertikalen Frequenz­achse zeigt, dass beide Schwingungs­übergänge einen riesigen Frequenz­bereich innerhalb von weniger als hundert Femto­sekunden durchlaufen. Dies ist eine direkte Folge der ultra­schnellen Modulation der Potentialfläche durch die Umgebung. Mit anderen Worten: Das Proton nimmt innerhalb von weniger als hundert Femto­sekunden vorübergehend alle Positionen zwischen den beiden Wasser­molekülen ein und verliert extrem schnell die Erinnerung daran, wo es kurz vorher war. Die Modulation des Proton­potentials wird durch starke elektrische Felder verursacht, welche die Wasser­moleküle der Umgebung auf das Zundel-Kation ausüben. Ihre schnelle thermische Bewegung führt zu starken Feld­fluktuationen und Modulationen der Potential­fläche im Zeitbereich unter hundert Femto­sekunden. Dieses Bild wird unterstützt durch Referenz­experimente mit selektiv präparierten Zundel-Kationen in anderen Lösungs­mitteln und durch detaillierte theoretische Simulationen der Proton­dynamik.

Ein Proton in einem einzelnem Zundel-Kation in Wasser wechselt in eine neue lokale Umgebung durch das Brechen und die Rekonstruktion von Wasserstoff­brücken. Diese Prozesse sind sehr viel langsamer als die Zitter­bewegung des Protons und laufen im Zeitbereich einiger Piko­sekunden ab. Das hier vorgestellte neue Bild der Proton­dynamik ist von entscheidender Bedeutung für ein Verständnis des Protonen­transports durch den berühmten Von-Grotthuss-Mechanismus und für Proton­verschiebungen in biologischen Systemen.

FVB / DE

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