19.03.2009

Zur Ordnung geschüttelt

In der Quantenwelt kann starkes Schütteln manchmal bewirken, dass Teilchen, die sich eigentlich frei bewegen würden, plötzlich stillstehen



Legt man Murmeln auf einen Teller und schüttelt diesen dann hin und her, so werden die Murmeln sich bewegen, miteinander zusammenstoßen und irgendwann über den Tellerrand fallen. In der Quantenwelt dagegen kann starkes Schütteln genau das Gegenteil bewirken – nämlich dass Teilchen, die sich eigentlich frei bewegen würden, plötzlich stillstehen. Dieses Prinzip haben Forscher der Universität Pisa nun mit Hilfe extrem kalter Atome in optischen Gittern demonstriert.



Abb.: Ein geschütteltes optisches Gitter. Das Gitter wird durch die Überlagerung verschiedener Laserstrahlen (rot) erzeugt und kann durch winzige Bewegungen von Spiegeln (grau) geschüttelt werden. (Bild: A. Zenesini et. al.)


In optischen Gittern werden mehrere Laserstrahlen überlagert, so dass ein Interferenzmuster entsteht, in dem extrem kalte Atome wie in Mikro-Eierkartons gefangen werden. Sind die Mulden dieser Eierkartons seicht genug, so können die Atome sich zwischen ihnen durch den quantenmechanischen Tunneleffekt bewegen und sind daher praktisch frei. Schüttelt man das optische Gitter nun aber immer heftiger hin und her, so wird die Tunnelwahrscheinlichkeit der Atome nach und nach reduziert, bis die Teilchen schließlich völlig zum Stillstand kommen.

Diesen Effekt (auch unter dem Namen dynamische Lokalisierung bekannt) nutzten die Pisaner Forscher, um eine besondere Zustandsform der Atome im Gitter herbeizuführen, den so genannten Mott Isolator. Dieser bildet sich, wenn die Beweglichkeit der Atome im Gitter stark eingeschränkt ist und zusätzlich dadurch gemindert wird, dass die Atome in den einzelnen Mulden einander abstoßen. Durch dieses Wechselspiel kann ein Quantenzustand entstehen, in dem in jeder Mulde genau ein Atom sitzt. Ein solcher Phasenübergang von einem Superfluid, in dem die Atome sich reibungsfrei bewegen, zu einem stark geordneten Mott Isolator wurde erstmals 2002 im Labor von Nobelpreisträger Theodor Hänsch in München beobachtet. Hänsch und seine Kollegen nutzten damals die Möglichkeit, die Tiefe der Gittermulden durch die Stärke der Laser zu variieren, die das optische Gitter bildeten.

Drei Jahre später schlug eine Gruppe von theoretischen Physikern um Martin Holthaus aus Oldenburg vor, dass der Mott Isolator-Zustand auch dadurch erreicht werden könnte, dass man das optische Gitter mit einer bestimmten Stärke antreibt. Diese theoretische Vorhersage wurde nun in Pisa bestätigt. Die Physiker füllten dazu ein seichtes optisches Gitter mit kalten Atomen und schüttelten es dann immer stärker, ohne aber die Tiefe der Mulden zu verändern. Wie erwartet verlangsamte sich die Bewegung der Atome, bis sie schließlich – gleichsam zur Ordnung geschüttelt - in einem Mott Isolator-Zustand verharrten.

In Zukunft hoffen die Forscher, die Quantenzustände von Atomen in geschüttelten Gittern noch besser zu kontrollieren und dadurch mehr über die Eigenschaften von stark getriebenen Quantensystemen zu lernen.

Oliver Morsch (CNR-INFM Pisa)


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