27.11.2013

Zurechtgestutzt: Massemonster in M101 kleiner als gedacht

Sind ultraleuchtkräftige Röntgenquellen doch keine schwarzen Löcher mittlerer Masse?

Als ultraleuchtkräftige Röntgenquelle, kurz ULX, bezeichnen Astronomen ein punktförmiges extragalaktisches Objekt, das im Bereich von 0,3 bis 10 keV mehr als 1039 erg/s abstrahlt und damit das Eddington-Limit für stellare schwarze Löcher überschreitet. Als mögliche Erklärung für die extrem hohe Leuchtkraft gilt die Akkretion von Materie auf einen Vertreter der Mittelklasse, ein IMBH (engl. intermediate mass black hole), mit einer Masse von mehreren hundert oder tausend Sonnenmassen.

Abb.: Der Wind des Wolf-Rayet-Sterns speist wohl im Fall von M101 ULX-1 die Akkretion auf das schwarze Loch in diesem Doppelsystem. (Bild: J.-Ch. Yu)

Ji-Feng Liu von den National Astronomical Observatories der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Beijing und seinen Kollegen zufolge trifft diese Hypothese zumindest für das Objekt M101 ULX-1 nicht zu: Wie Messungen der Radialgeschwindigkeit der Röntgenquelle zeigen, handelt es sich hier um ein schwarzes Loch mit einer Masse von zwanzig bis dreißig Sonnenmassen, das ein Doppelsystem mit einem Wolf-Rayet-Stern bildet.

M101 ULX-1 ist allerdings keine typische ULX, denn die meiste Zeit über liegt die Leuchtkraft der Röntgenquelle deutlich unter dem Eddington-Limit. Nur bei gelegentlichen Ausbrüchen wird der Grenzwert überschritten. Diese Ausbrüche dauern stets nur wenige Tage, eine solche kurzfriste Überschreitung des Eddington-Limits ist für stellare schwarze Löcher durchaus denkbar.

Doch es gibt ein weiteres Problem: Die Theorie des Materieeinfalls auf Schwarze Löcher liefert einen Zusammenhang zwischen der Masse des schwarzen Lochs und der Temperatur der Akkretionsscheibe. Wie Liu und seine Kollegen zeigen, ist die Temperatur der Akkretionsscheibe von M101 ULX-1 während der Ausbrüche im Einklang mit typischen ULX – also mit einem IMBH. Da das kompakte Objekt von ULX-1 aber eindeutig nicht mittlerer, sondern stellarer Masse ist, wirft dies Zweifel an dem von der Theorie gelieferten Zusammenhang auf.

Bei vielen ULXs haben die Astronomen die Masse aus der Leuchtkraft und der Temperatur abgeleitet. Doch diese Methode könnte wie bei M101 zu falschen Ergebnissen führen. Die Beobachtungen von Liu und seinen Kollegen zeigen, dass das heutige Verständnis der Astronomen von ultraleuchtkräftigen Röntgenquellen alles andere als vollständig und sicher ist. Im Gegensatz zu den theoretischen Vorhersagen können stellare schwarze Löcher offenbar kühle Akkretionsscheiben besitzen.

Da es sich bei der Begleitsonne ULX-1 um einen Wolf-Rayet-Stern handelt, der sein Roche-Volumen nicht ausfüllt, ist ein direkter Materiefluss vom Stern zur Akkretionsscheibe nicht möglich. Liu und seine Kollegen folgern daher, der starke Wind des Wolf-Rayet-Sterns müsse die Akkretion speisen. Dieses Szenario wurde bislang als zu wenig effizient für ultraleuchtkräftige Röntgenquellen angesehen. Als mögliche Ursache für die extremen Strahlungsausbrüche von ULX-1 sehen Liu und seine Kollegen Instabilitäten in der kühlen, ausgedehnten Akkretionsscheibe.

Ähnlich detailreiche Beobachtungen bei anderen ULXs müssen nun zeigen, unter welchen Bedingungen die Akkretion von Materie auf schwarze Löcher zu einer Leuchtkraft oberhalb des Eddington-Limits führen kann – und ob IMBHs überhaupt nötig sind, um diese seltsamen Objekte zu erklären.

Rainer Kayser

OD

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Meist gelesen

Themen