20.11.2008

Zuviele Elektronen aus dem All: Steckt Dunkle Materie dahinter?

Aus den Tiefen der Galaxis kommen mehr hochenergetische Elektronen auf die Erde als erwartet.

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Aus den Tiefen der Galaxis kommen mehr hochenergetische Elektronen auf die Erde als erwartet. Das zeigen Messungen mit einem Detektor, der von einem Ballon in die Hochatmosphäre über der Antarktis getragen wurde. Die Energie der überschüssigen Elektronen liegt genau in dem Bereich, der für den Zerfall so genannter Kaluza-Klein-Teilchen zu erwarten wäre, bei denen es sich um Kandidaten für die Dunkle Materie handelt. Doch auch bislang unbekannte astronomische Objekte kommen als Quelle der Elektronen infrage.



Abb.: Von einem Ballon getragen, steigt der ATIC-Detektor mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 Kilometern pro Stunde in den Himmel über der Antarktis auf. (Quelle: T. Gregory Guzik)


Die galaktische Höhenstrahlung besteht aus Protonen, Elektronen und Ionen, die nach heutigen Erkenntnissen überwiegend in Supernova-Überresten auf relativistische Geschwindigkeiten beschleunigt worden sind. Die Intensität aller Komponenten der Höhenstrahlung fällt mit zunehmender Energie rapide ab. Elektronen beispielsweise verlieren durch Synchrotron- und inverse Compton-Prozesse an Energie. Ein internationales Forscherteam um John Wefel von der Louisiana State University ist nun jedoch auf einen Anstieg der Elektronen-Intensität im Bereich von 300 bis 800 Giga-Elektronenvolt gestoßen.

Die Wissenschaftler aus China, Deutschland, Russland und den USA nutzten für ihre Messungen das Advanced Thin Ionisation Calorimeter (ATIC), einen von einem Ballon bis auf eine Höhe von knapp 40 Kilometern getragenen Detektor, mit dem sich Masse, Energie und Ladung der Teilchen der Höhenstrahlung bestimmen lässt. In der aktuellen Ausgabe von "Nature" präsentieren Wefel und seine Kollegen die Ergebnisse von Flügen aus den Jahren 2000 bis 2003.

Die Verteilung der Elektronen zeigt zwar im Großen und Ganzen den erwarteten Abfall mit steigender Energie, doch dem überlagert finden die Forscher einen "Buckel" mit einem Maximum bei einer Energie von etwa 620 GeV. "Dieses Maximum deutet auf eine nahe Quelle hochenergetischer Elektronen", so die Wissenschaftler. Mögliche Quellen wären bislang unbekannte Supernova-Überreste, Pulsare oder Schwarze Löcher mit einer Entfernung von bis zu etwa 3000 Lichtjahren.

Eine andere mögliche Erklärung wäre, dass die hochenergetischen Elektronen aus dem Zerfall von Teilchen der Dunklen Materie stammen. Etwa 80 Prozent der Masse im Universum sind dunkel, dass heißt, sie verraten sich nur durch ihre Schwerkraft. Woraus diese Dunkle Materie besteht, ist noch unklar. Als Kandidaten kommen bislang unentdeckte Elementarteilchen infrage, wie sie von den Theorien zur Vereinheitlichung der fundamentalen Wechselwirkungen vorhergesagt werden.

Wefel und seine Kollegen weisen darauf hin, dass das Maximum des von ihnen gefundenen Elektronen-Überschusses gerade bei einer Energie liege, wie sie für so genannte Kaluza-Klein-Teilchen zu erwarten wäre. Solche Teilchen sind ein Bestandteil von Theorien, in denen das Universum neben den bekannten drei noch weitere räumliche Dimensionen besitzt, die allerdings auf sehr kleinen Skalen "aufgerollt" sind.

Tatsächlich ist es den Wissenschaftlern gelungen, das beobachtete Spektrum der Elektronen durch die Überlagerung eines normal abfallenden Spektrums aus bekannten Quellen mit einem Spektrum aus dem Zerfall von Kaluza-Klein-Teilchen mit einer Ruhemasse von 620 GeV zu reproduzieren. Charakteristisch für den Zerfall von Teilchen der Dunklen Materie ist ein steiler Abfall der Elektronenhäufigkeit oberhalb der Teilchenmasse - und eben ein solcher Abfall deutet sich in den Beobachtungen an.

Doch noch reicht die Auflösung der Daten nicht aus, um eine definitive Aussage über den Ursprung des Elektronen-Überschusses zu machen. Weitere, genauere Messungen sind also nötig, um zu zeigen, ob es sich bei den überschüssigen Elektronen wirklich um ein Signal der rätselhaften Dunklen Materie handelt.

Rainer Kayser


Weitere Infos:



Weitere Literatur:

  • K.-K. Tang, "The energy spectrum of electrons and cosmic-ray confinement: New measurement and its interpretation", Astrophysical Journal 278, 881 (1984)
  • H. C. Cheng, J. L. Feng und K. T. Matchev, "Kaluza–Klein dark matter", Physical Review Letters 89, 211301 (2002)
  • T. G. Guzik et al., "The ATIC long duration balloon project", Advanced Space Research 33, 1763 (2004)



GWF

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