Zwanzig Qubits in der Falle
Erfolgreiche Verschränkung von in optischen Fallen gefangenen Rubidiumatomen.
Tot oder lebendig, linksdrehend oder rechtsdrehend – in der Quantenwelt können Teilchen wie die berühmte Analogie von Schrödingers Katze all das gleichzeitig sein. Einem internationalen Team, darunter Forscher mehrerer amerikanischer Universitäten, ist es nun gemeinsam mit Experten des Forschungszentrums Jülich gelungen, zwanzig verschränkte Quantenbits in einen solchen Zustand der Überlagerung zu versetzen. Die Erzeugung derartiger Überlagerungszustände gilt als wichtiger Schritt für die Entwicklung von Quantencomputern, die klassische Rechner bei der Lösung bestimmter Aufgaben weit übertreffen könnten.
Bereits seit Beginn der 1980er Jahre sind Forscher in der Lage, diese Überlagerung von Quantenzuständen mittels verschiedener Ansätze experimentell im Labor zu realisieren. „Diese Überlagerungszustände sind allerdings extrem empfindlich. Schon kleinste thermische Wechselwirkungen mit der Umgebung lassen sie kollabieren“, sagt Tommaso Calarco vom Forschungszentrum Jülich. Er spielt unter anderem eine führende Rolle in Europas großer Quanteninitiative, dem Quanten-Flaggschiffprogramm der EU. „Aus diesem Grund kann man bis jetzt auch nur deutlich weniger Quantenbits im Zustand von Schrödingers Katze realisieren als solche, die unabhängig voneinander existieren.“
Von Letzteren können Forscher mittlerweile mehr als fünfzig in Laborexperimenten kontrollieren. Doch diese Qubits weisen nicht die besonderen Merkmale von Schrödingers Katze auf; anders dagegen die zwanzig Qubits, die das Forscherteam nun mithilfe eines programmierbaren Quantensimulators erzeugt haben: ein Rekordwert, der selbst dann noch gilt, wenn man andere physikalische Ansätze mit optischen Photonen, Ionenfallen oder supraleitenden Schaltkreisen berücksichtigt. „Qubits im Katzenzustand gelten für die Entwicklung von Quantentechnologien als das höchste Gut“, erklärt Jian Cui. „Denn in der Überlagerung steckt das Geheimnis der ungeheuren Leistungsfähigkeit, die man sich von zukünftigen Quantencomputern verspricht,“ so der Physiker vom Jülicher Peter Grünberg Institut.
Klassische Bits in einem herkömmlichen Rechner haben immer nur einen bestimmten Wert, der sich beispielsweise aus 0 und 1 zusammensetzt. Sie lassen sich daher nur Bit für Bit nacheinander prozessieren. Qubits, die aufgrund des Überlagerungsprinzips mehrere Zustände gleichzeitig annehmen, können dagegen mehrere Werte parallel in einem Schritt speichern und verarbeiten. Ganz entscheidend ist dabei die Anzahl der Qubits. Mit einer Handvoll kommt man noch nicht weit. Aber bei zwanzig Qubits liegt die Zahl der sich überlagernden Zustände bereits bei über einer Million. Und 300 Qubits können mehr Zahlen gleichzeitig speichern, als es Teilchen im Universum gibt.
Die neue Bestmarke kommt diesem Wert nun ein Stückchen näher, nachdem der alte Rekord von 14 Qubits seit 2011 unverändert bestand. Für ihr Experiment nutzten die Forscher einen programmierbaren Quantensimulator mit Atomen, die sich im Rydberg-Zustand befinden. Bei diesem Verfahren werden einzelne Atome, in diesem Fall Rubidiumatome, mithilfe von Laserstrahlen eingefangen und nebeneinander in einer Reihe auf ihrem Platz gehalten. Die Technik ist als optische Pinzette bekannt. Ein weiterer zusätzlicher Laser regt die Atome an, bis etwa die Hälfte von ihnen den Rydberg-Zustand erreicht, bei dem sich die Elektronen weit jenseits des Kerns befinden.
Dieser Prozess ist relativ kompliziert und nimmt klassischerweise so viel Zeit in Anspruch, dass der empfindliche Zustand in der Zwischenzeit schon wieder zerfällt. Die Forscher konnten diese Vorbereitungszeit minimieren, indem sie die Art und Weise veränderten, wie der zweite Laser an- und ausgeschaltet wird – und ermöglichten so den neuen Rekord. „Wir blähen die Atome praktisch soweit auf, bis ihre Atomhüllen mit den benachbarten Atomen verschmelzen und simultan zwei entgegengesetzte Konfigurationen einnehmen“, erklärt Jian Cui. „Das geht soweit, dass sich die Wellenfunktionen wie bei Schrödingers Katze überlagern und wir einen Zustand nachweisen konnten, der auch als Greenberger–Horne–Zeilinger-Zustand bezeichnet wird.“
Komplettiert wurde der Erfolg für die Quantenforschung durch eine weitere Arbeit einer chinesischen Forschungsgruppe. Den Forschern ist es gelungen, mithilfe von supraleitenden Schaltkreisen 18 Qubits im Greenberger–Horne–Zeilinger-Zustand zu realisieren, was für diesen experimentellen Ansatz ebenfalls einen neuen Rekord darstellt.
FZJ / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichungen
C. Song et al.: Generation of multicomponent atomic Schrödinger cat states of up to 20 qubits, Science 365, 574 (2019); DOI: 10.1126/science.aay0600 - A. Omran et al.: Generation and manipulation of Schrödinger cat states in Rydberg atom arrays, Science 365, 570 (2019); DOI: 10.1126/science.aax9743
- Peter Grünberg Institut – Quantum Control, Forschungszentrum Jülich