02.04.2015

Zwei Atome sind sich einig

Hong-Ou-Mandel-Effekt mit Heliumatomen statt mit Photonen beobachtet.

Paare von ununterscheidbaren Teilchen können interessante Interferenz­effekte zeigen, wie man sie etwa im Hong-Ou-Mandel-Experiment mit Photonen­paaren beobachtet. Jetzt haben Forscher in Paris dieses grundlegende Experiment erstmals mit Atomen durchgeführt. Beim Hong-Ou-Mandel-Experiment fliegen Paare von identischen Photonen, die aus zwei verschiedenen Richtungen kommen, in die beiden Eingangskanäle eines 50:50-Strahlteilers, sodass jedes der Photonen eines Paares mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit einen der beiden Ausgangs­kanäle nimmt. Wenn sich die beiden Photonen unabhängig voneinander bewegen, schlagen sie in der Hälfte aller Fälle unter­schiedliche Wege ein.

Abb.: Die Wege der Atompaare unter dem Einfluss der drei Lichtgitter (oben) verhalten sich analog zu den Wegen der Photonenpaare beim klassischen Hong-Ou-Mandel-Experiment (unten). Unten sind die beiden ununterscheidbaren Fälle zu sehen, bei denen die Photonen in unterschiedlichen Kanälen des Strahlteilers landen und destruktiv interferieren. (Bild: R. Lopes et al.)

Wenn jedoch zwei un­unterscheid­bare Photonen gleichzeitig am Strahlteiler ankommen, lässt sich anschließend nicht mehr unterscheiden, ob Photon (1) den Ausgang (A) und Photon (2) den Ausgang (B) genommen hat oder umgekehrt, also (1) nach (B) und (2) nach (A). Es kommt zur destruktiven Zweiteilcheninterferenz, bei der die Wahrscheinlichkeits­amplituden für die beiden un­unterscheid­baren Alternativen einander auslöschen, sodass es für die Photonen unmöglich ist, unterschiedliche Ausgänge zu nehmen. Die beiden Photonen „einigen“ sich stets auf denselben Ausgang.

Wird die Differenz der Zeiten vergrößert, zu denen die beiden Photonen am Strahlteiler ankommen, so lassen sich diese Lichtquanten immer besser voneinander unterscheiden und die Wahrscheinlichkeit, dass sie unterschiedliche Ausgänge nehmen, wird größer. Trägt man diese Wahrscheinlichkeit gegen die Zeitdifferenz auf, so erhält man ein deutliches Minimum, den „Hong-Ou-Mandel-Dip“, an dem man die Unterschiede in den Ankunfts­zeiten der Photonen mit extrem hoher Genauig­keit ablesen kann.

Abb.: Der mit Atompaaren beobachtete Hong-Ou-Mandel-Dip zeigt eine Sichtbarkeit von 0,65. Das liegt zwei Standardabweichungen über der „klassischen“ Sichtbarkeit von 0,5, die durch Interferenz einzelner Materiewellen erreichbar ist (rosa Streifen). (Bild: R. Lopes et al.)

Ein Hong-Ou-Mandel-Experiment mit bosonischen Atomen statt mit Photonen hatten Karen Kheruntsyan und sein Student Robert Lewis-Swann von der University of Queensland in Australien vor einem Jahr vorgeschlagen. Nun haben Alain Aspect und seine Kollegen von der Université Paris Sud dieses bahnbrechende Experiment durchgeführt.

Die Hauptschwierigkeit bei diesem Experiment bestand darin, möglichst viele Atome paarweise in ununterscheidbaren Zuständen zu präparieren und an einem „Atomstrahlteiler“ zusammenzuführen. Dazu stellten die Forscher ein Bose-Einstein-Kondensat aus über 50.000 Helium-4-Atomen her, das sie in einer optischen Falle als 0,1 Millimeter langes Wölkchen festhielten. Durch das Kondensat zogen sie für etwa 300 Mikrosekunden ein Lichtgitter, an dem die Atome paarweise gestreut wurden.

Die gestreuten Atompaare bewegten sich in zwei Strahlen mit Geschwindig­keiten von v1 =7,0 und v2=12,1 Zentimetern pro Sekunde im Kondensat senkrecht nach oben. Dann wurden das Lichtgitter und die optische Falle abgeschaltet, so dass die Atome frei fielen. Die sich auseinander bewegenden schnellen und langsamen Atome wurden 500 Mikrosekunden später von einem zweiten Lichtgitter so gestreut, dass sie nach weiteren 500 Mikro­sekunden wieder zusammenkamen. Etwa zu dieser Zeit wurde ein drittes Lichtgitter eingeschaltet, das die Rolle des Strahlteilers spielte. Es änderte die Geschwindigkeiten der Atome mit 50 Prozent Wahrscheinlich­keit von v1 zu v2 bzw. von v2 zu v1. Die Atome trafen schließlich auf einen Detektor, der Ort und Zeit ihrer Ankunft registrierte.

Aus den Detektorsignalen ermittelten die Forscher den Anteil der Atompaare, bei denen die beiden Atome mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten beim Detektor ankamen, die also in unterschiedlichen Ausgangskanälen des Strahlteilers gelandet waren. Dabei variierten sie den Zeitpunkt, zu dem sie das dritte Lichtgitter (d. h. den Strahlteiler) einschalteten, was dazu führte, dass die beiden Atome mit einer variablen Zeitdifferenz beim Strahlteiler ankamen. Wurde der Anteil dieser Atompaare gegen die Einschalt­zeit aufgetragen, so war ein deutliches Minimum zu erkennen.

Der Anteil der Atompaare mit unterschiedlicher Geschwindigkeit wurde am Minimum zwar nicht 0, da das Experiment nicht perfekt war. Doch der „Dip“ war immerhin so tief, dass er nicht durch Interenzeffekte einzelner atomarer Materie­wellen erklärt werden konnte. Es handelte sich also um Mehrteilcheninterferenz. Die Forscher hatten somit tatsächlich den Hong-Ou-Mandel-Effekt mit bosonischen Atomen beobachtet. Ein entsprechendes Experiment mit fermionischen Atomen erscheint ebenfalls möglich.

Aspect und seine Kollegen weisen darauf hin, dass sie nun eine Quelle von stark korrelierten Atom­paaren haben, wie man sie schon nur für Photonen besitzt. Dadurch werden neuartige Experimente möglich, z. B. ein Test der Bell-Ungleichungen mit Atomen statt mit Photonen. Außerdem ist solch eine Atompaarquelle für die Quanten­informations­verarbeitung und für Quanten­simulationen interessant.

Rainer Scharf

DE

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