Das klassische Pendel einer Standuhr schwingt mit einer wohl definierten Auslenkung und Geschwindigkeit zu jedem Zeitpunkt vor und zurück. Während dieser Schwingung bleibt seine Gesamtenergie konstant, welche durch eine beliebig wählbare Anfangsauslenkung vorgegeben ist. Oszillatoren in der Quantenwelt der Atome und Moleküle verhalten sich völlig anders: Deren Energie hat diskrete Werte entsprechend der unterschiedlichen Quantenzustände eines Oszillators. Den „verschmierten” Ort eines Atoms in einem Energieeigenzustand des Oszillators beschreibt die Wellenfunktion, deren Amplitude keinerlei Schwingungen aufweist.
Abb.: (a) 2D-Scan der Summe der elektrischen Felder der drei treibenden Terahertz-Impulse A, B und C. Das Konturdiagramm ist rot gefärbt für positive elektrische Felder und blau für negative. (b) 2D-Scan des von der Zwei-Phononen-Kohärenz im Halbleiter Indiumantimonid nichtlinear abgestrahlten, elektrischen Feldes. (Bild: MBI)
In der Quantenwelt hingegen entspricht die Überlagerung zweier benachbarter Oszillatorzustände einer Ein-Quanten-Kohärenz, bei der die Atombewegung dem klassischen Pendel sehr ähnelt. Viel interessanter sind Zwei-Quanten-Kohärenzen, eine waschechte nicht-klassische Anregung, bei der ein Atom gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten sein kann. Seine Geschwindigkeit verhält sich auch nicht-klassisch, was bedeutet, dass es sich zur selben Zeit von links nach rechts und von rechts nach links bewegt. Solche Bewegungen existieren nur für sehr kurze Zeiten, weil die wohldefinierte Überlagerung der Quantenzustände aufgrund der Dekohärenz innerhalb weniger Pikosekunden zerfällt. Solche Zwei-Phononen-Kohärenzen sind äußerst wichtig in dem neuen Forschungsgebiet der Quanten-Phononik. Dort werden nicht-klassische Atombewegungen wie etwa „gequetschte” oder „verschränkte” Phononen untersucht.
Nun haben Forscher des Max-Born-Instituts in Berlin die neue Methode der Zwei-Dimensionalen Terahertz-Spektroskopie eingesetzt, um nicht-klassische Zwei-Phononen-Kohärenzen mit großen räumlichen Amplituden zu erzeugen und nachzuweisen. In den Experimenten wechselwirkt eine Sequenz von drei phasengekoppelten Terahertz-Impulsen mit einem 70 Mikrometer dicken Kristall des Halbleiters Indiumantimonid. Das elektrische Feld, das die bewegten Atome abstrahlen, dient als eine Sonde für die Atombewegung in Echtzeit. Ein zwei-dimensionales Abrasterverfahren, bei dem die zeitliche Verzögerung zwischen den drei Terahertz-Impulsen variiert wird, zeigte ausgeprägte Zwei-Phononen-Signale und konnte deren Zeitstruktur aufdecken. Eine detaillierte theoretische Analyse brachte die Einsicht, dass nichtlineare Vielfach-Wechselwirkungen von allen drei Terahertz-Impulsen nötig sind, um solche starken Zwei-Phonen-Kohärenzen anzuregen.
Die neue experimentelle Methode erlaubte zum ersten Mal, Zwei-Phononen-Kohärenzen großer Amplitude in einem Kristall nachzuweisen. Alle experimentellen Beobachtungen sind in exzellenter Übereinstimmung mit der Quantentheorie. Dieser neue Typus von 2D-Terahertz-Spektroskopie weist den Weg zur Erzeugung, Analyse und Manipulation von anderen Niedrig-Energie-Anregungen in Festkörpern, wie z.B. Magnonen oder optischen Übergängen in Exzitonen oder an Störstellen gebundenen Elektronen.
FVB / DE