27.01.2011

Zweidimensionales Bose-Gas zeigt Universalität

An einem ultrakalten atomaren Gas wurde die Skaleninvarianz des Berezinskii–Kosterlitz–Thouless-Phasenübergangs beobachtet.

Zweidimensionales Bose-Gas zeigt Universalität

An einem ultrakalten atomaren Gas wurde die Skaleninvarianz des Berezinskii–Kosterlitz–Thouless-Phasenübergangs beobachtet.

Ultrakalte atomare Gase sind ein Segen für Experimentatoren und Theoretiker, da man an ihnen grundlegende Modelle der Vielteilchenphysik unter nahezu perfekt kontrollierten Bedingungen studieren kann. Ein Beispiel ist der Berezinskii-Kosterlitz-Thouless-Phasenübergang, der unter anderem in zweidimensionalen Supraflüssigkeiten auftritt. Den BKT-Übergang haben jetzt Forscher in den USA an einem ultrakalten zweidimensionalen Gas von bosonischen Atomen studiert und dabei ein reichhaltiges und zugleich universelles Verhalten beobachtet.

Bei einem Phasenübergang entsteht in einem thermodynamischen System Ordnung. Das kann ferromagnetische Ordnung sein, die bei Abkühlung eines Paramagneten auftreten kann, oder im Falle eines Supraflüssigkeit die einheitliche Phase der Wellenfunktion des suprafluiden Kondensats. Normalerweise richtet sich die für den Phasenübergang relevante physikalische Größe (z. B die Magnetisierung) über weite Bereiche des Systems aus, sodass die auftretende Ordnung eine lange Reichweite hat.

Doch in einem zweidimensionalen System gibt es nach einem Theorem von Mermin, Wagner und Hohenberg oberhalb vom absoluten Temperaturnullpunkt keine langreichweitige Ordnung, da sie stets von den thermischen Schwankungen zerstört wird. Trotzdem kann ein Übergang in einen geordneten Zustand auftreten, der allerdings nicht langreichweitig sondern schwächer geordnet ist. Die Korrelationen der sich ausrichtenden physikalischen Größe, gemessen an zwei Punkten mit dem Abstand d, zerfallen mit einer negativen Potenz von d, sodass die geordneten Bereiche keine charakteristische Länge haben.

Diesen BKT-Übergang hat man an dünnen Schichten von flüssigem Helium studiert, das bei Abkühlung supraflüssig wurde. Der Theorie zufolge hat in der suprafluiden Schicht die Phase der komplexen Wellenfunktion keinen einheitlichen Wert, wie das in einer dreidimensionalen Supraflüssigkeit der Fall ist. Vielmehr weist sie zahlreiche Störungen in Form von Wirbeln und Antiwirbeln auf, die jedoch paarweise aneinander gebunden sind, sodass sich die Unordnung in Grenzen hält. Oberhalb einer bestimmten Temperatur brechen die Paare auseinander, sodass sich Wirbel und Antiwirbel frei bewegen können und die entstehende Unordnung die Suprafluidität zusammenbrechen lässt.

Mit ultrakalten bosonischen Atomen, die sich in einem optischen „Pfannkuchenpotential“ befinden und nur in einer Ebene bewegen können, lässt sich der BKT-Übergang bei der Entstehung eines Bose-Einstein-Kondensats besonders gut studieren. Die räumliche Struktur der Phase der Kondensatwellenfunktion hatte man durch Interferenz zweier Kondensate sichtbar gemacht. Die Dichteprofile zweidimensionaler Kondensate, die mit einem harmonischen Potential zusammengehalten wurden, haben jetzt Cheng Chin und seine Kollegen von der University of Chicago mittels Lichtabsorption direkt gemessen.

Die Kondensate bestanden jeweils aus ca. 20000 Zäsium-133-Atomen, die bis auf 15 nK abgekühlt wurden. Mit einem Magnetfeld konnte die Wechselwirkung der Atome über eine Feshbach-Resonanz verändert werden. Für fünf verschiedene Werte der Temperatur T haben die Forscher das radiale Dichteprofil n(r) und die Dichteschwankungen δn2(r) der Atomwolke gemessen. Der durch die r-Abhängigkeit des optischen Potentials beeinflussten Teilchendichte wurde durch ein chemisches Potential µ Rechnung getragen. Es ergaben sich die Kurven n(µ) und δn2(µ), die je nach Temperatur sehr unterschiedlich aussahen. Wurden n und δn2 mit der entsprechenden Potenz der de Broglie-Wellenlänge λdB und µ mit der thermischen Energie kBT skaliert, so fielen die unterschiedliche Kurven auf zwei universelle Kurven zusammen: n = F(µ) und δn2 = G(µ).

Abb.: Die universellen Kurven für die Teilchendichte und die Kondensatdichte am Berezinskii-Kosterlitz-Thouless-Übergang. (Bild: Chen-Lung Hung et al., Nature)

An diesen universellen Zustandskurven ließ sich der BKT-Übergang in das suprafluide Kondensat, der bei µc=0,3 stattfand, klar erkennen. Hier änderten die beiden Zustandskurven deutlichen ihren Verlauf. Sodann variierten die Forscher auch noch die Stärke g der atomaren Wechselwirkung. In der Nähe des BKT-Übergang bei nc und µc zeigte die Dichte n ein universelles Verhalten: n–nc = H((µ-µc)/g) mit der universellen Funktion H. Daraus konnten die Forscher schließlich das universelle Verhalten der Kondensatdichte in Abhängigkeit vom chemischen Potential bestimmen. Damit war der BKT-Übergang so allgemein wie möglich charakterisiert.

Während in der nichtsuprafluiden Atomwolke das Fluktuations-Dissipations-Theorem galt, das einen Zusammenhang zwischen den Dichteschwankungen und der Kompressibilität der Atomwolke herstellt, war es im suprafluiden Kondensat verletzt. Dies lag daran, dass in der Supraflüssigkeit die lokal auftretenden Schwankungen nicht mehr unabhängig voneinander waren sondern quantenmechanische Korrelationen aufwiesen, die zu einer Abschwächung der Schwankungen führten. So detailliert hatte man den BKT-Übergang bisher noch nie gesehen.

RAINER SCHARF

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