15.06.2016

Zweite Gravitationswelle entdeckt

Am zweiten Weihnachtstag des letzten Jahres registrierten die beiden LIGO-Laserdetektoren eine weitere Gravitationswelle. Wieder kam sie von zwei Schwarzen Löchern.

Vier Monate nach der Bekanntgabe der Entdeckung einer Gravitationswelle mit der Bezeichnung GW150914 verkündete die LIGO/VIRGO-Kollaboration, dass sie in den bereits vorhandenen Messdaten eine zweite Gravitationswelle gefunden hat. Sie war am 26. Dezember 2015 um 4:38:54 Uhr MEZ von beiden LIGO-Instrumenten in den USA gemessen worden und erhielt die Bezeichnung GW151226. Die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitende Welle erreichte zuerst den Detektor in Livingston und 1,1 Millisekunden später den 3000 Kilometer entfernten in Hanford.

Das Ereignis war deutlich schwächer als das erste vom September 2015 und war im Rauschen der Detektoren verborgen. Den Nachweis verdanken die Forscher der Matched-Filter-Suche. Hierbei vergleicht oder filtert der Computer die Daten mit vielen vorab berechneten Signalen, um die beste Übereinstimmung (englisch match) zu finden. Die berechneten Signale basieren auf den hoch präzisen Wellenformmodellen, die Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) entwickelt haben. Sie erst ermöglichten dem LIGO-Team die Erkenntnis, dass das Signal von zwei verschmelzenden schwarzen Löchern stammt.

Die Simulationen zeigen, wie die beiden Schwarzen Löcher mit 14 und 8 Sonnenmassen einander umkreisen, schließlich verschmelzen und dabei Gravitationswellen abstrahlen (© Numerisch-relativistische Simulation: S. Ossokine, A. Buonanno (MPI für Gravitationsphysik), Simulating eXtreme Spacetime Projekt, Wissenschaftliche Visualisierung: T. Dietrich, R. Haas (MPI für Gravitationsphysik).

„Es ist fabelhaft, dass unsere Wellenformmodelle dieses schwache, aber so unglaublich wertvolle Gravitationswellen-Signal aus dem Rauschen extrahiert haben“, sagt Alessandra Buonanno, Direktorin am AEI in Potsdam. Nach einer ausführlichen Analyse passt das Signal am besten zu dem Szenario, dass zwei rund 1,4 Milliarden Lichtjahre entfernte Schwarze Löcher mit 14 beziehungsweise 8 Sonnenmassen einander umkreisten. Dabei strahlten sie Gravitationswellen ab, verloren an Energie und näherten sich auf spiralförmigen Bahnen einander an, bis sie miteinander verschmolzen.

Insgesamt wurde das Äquivalent von einer Sonnenmasse in Gravitationswellen-Energie umgesetzt und abgestrahlt. Deshalb beinhaltete das neu entstandene Schwarze Loch nur 21 und nicht 22 Sonnenmassen. Innerhalb der letzten Sekunde war die in Form von Gravitationswellen abgestrahlte Leistung größer als die gesamte Lichtleistung (Leuchtkraft) aller Sterne und Galaxien im beobachtbaren Universum zusammen.

Die geringeren Massen der beiden Schwarzen Löcher im Vergleich zum ersten Fall von GW150914 hatten zur Folge, dass sie sich anfänglich noch mit geringerer Geschwindigkeit umkreisten. Die beiden LIGO-Instrumente zeichneten deshalb nicht nur 5, sondern etwa 27 Umrundungen der beiden Körper auf, bevor diese miteinander kollidierten. In diesem Zeitraum von rund einer Sekunde nahm die Frequenz der Gravitationswelle von 35 Hz auf 430 Hz zu. Die Maximalamplitude der relativen Längenänderung im Detektor 3×10-22 ist etwa dreimal schwächer als die des Signals GW150914.

Die größere Anzahl der beobachteten Umläufe ermöglichte eine genauere Analyse der Wellenform und offenbarte neue Details. So bestand die Allgemeine Relativitätstheorie – wie schon im ersten Fall – alle Tests mit einer Genauigkeit um zehn Prozent. Darüber hinaus fanden die Forscher heraus, dass mindestens eines der beiden Schwarzen Löcher vor dem Verschmelzen eine Eigenrotation besaß, während das neu entstandene Schwarze Loch mit etwa 60 % der maximal möglichen Geschwindigkeit rotierte.

Bruce Allen, Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik in Hannover ist nun „absolut zuversichtlich, dass wir in den nächsten paar Jahren Dutzende von ähnlichen Verschmelzungen Schwarzer Löcher beobachten und dadurch viel über das Universum erfahren werden.“ Karsten Danzmann, Direktor am AEI in Hannover und Direktor des Instituts für Gravitationsphysik der Universität Hannover ergänzt: "Mit dieser zweiten Beobachtung sind wir wirklich auf dem Weg zur echten Gravitationswellen-Astronomie.“

Auch dieses Mal haben Forscher am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam und Hannover sowie der Universität Hannover entscheidend zu dem Fund beigetragen: mit der Entwicklung hochgenauer Wellenmodelle, mit Suchmethoden für schwache Signale, beim Ermitteln der astrophysikalischen Eigenschaften und mit fortschrittlicher Detektortechnologie.

Der nächste Beobachtungslauf von Advanced LIGO wird diesen Herbst beginnen und soll etwa sechs Monate lang dauern. Bis dahin sollen es weitere Verbesserungen in der Detektorempfindlichkeit ermöglichen, ein rund doppelt so großes Volumen des Weltalls zu erreichen wie bisher. Der in Ruthe nahe Hannover stationierte Gravitationswellendetektor GEO600 wird ebenfalls an dem Beobachtungslauf teilnehmen, und der Virgo-Detektor in Italien soll voraussichtlich um den kommenden Jahreswechsel dazu stoßen.

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