23.02.2012

Zweite Supraleiter-Phase unter Hochdruck entdeckt

Eisen-Chalkogenide zeigen bei 13 Gigapascal eine höhere Sprungtemperatur als bei Atmosphärendruck.

Unter extrem hohen Drücken kann sich die Sprungtemperatur von eisenhaltigen Supraleitern erhöhen. Ein Team aus amerikanischen und chinesischen Physiker machte diese Entdeckung an der noch jungen Supraleiter-Klasse der Eisen-Chalkogenide. Erst vor vier Jahren fanden japanische Wissenschaftler, dass trotz der Gegenwart magnetischer Eisenatome spezielle Eisen-Legierungen bei Temperaturen um minus 250 Grad Celsius supraleitend werden können. Vollständig erklären lässt sich dieses Phänomen bisher nicht und die nun beobachtete zweite Supraleitungsphase eisenhaltiger Kristalle unter hohen Drücken wirft zusätzliche Fragen auf.

Abb.: Querschnitt durch die Probe des supraleitenden Eisen-Chalkogenids, dass mit einer Diamantdruckzelle Drücken von bis zu 13 Gigapascal ausgesetzt wurde. (Bild: Liling Sun, CNAS)

„Die Rückkehr der Supraleitung bei Eisen-Chalkogeniden unter hohen Drücken hat uns sehr überrascht“, sagt Liling Sun von der Chineschen Akademie der Wissenschaften in Beijing. So zeigte eine Probe des Eisen-Chalkogenids – einer kristallinen Verbindung aus Eisen, Selen, Rubidium, Kalium und Thallium – bei einem Gigapascal Druck eine Sprungtemperatur von 32 Kelvin. Unter dem Druck einer Diamantdruckzelle brach diese Supraleitung bei etwa neun Gigapascal – entsprechend 90.000 Atmosphären – vollständig zusammen. Wurde die Probe aber noch stärker zusammengepresst – mit etwa 13 Gigapascal – zeigte das Material wieder supraleitende Eigenschaften. Die Sprungtemperatur lag zudem höher und zwar bei 48 Kelvin.

Erst misstrauten Sun und seine Kollegen aus weiteren Laboren in Gaithersburg, Argonne und Shanghai diesen überraschenden Messwerten. Denn nie zuvor konnte bei den eisenhaltigen Supraleitern ein zweiter, zudem noch „wärmerer“ Supraleitungszustand beobachtet werden. Doch zahlreiche Wiederholungen des Versuches, selbst mit Proben, die eine leicht veränderte Zusammensetzung aufwiesen, bestätigten das verblüffende Verhalten.

Eine genaue Erklärung für dieses Phänomen können Sun und Kollegen bisher noch nicht liefern. Aber es liegt nahe, dass unter dem hohen Druck Veränderungen im Kristallaufbau des Materials auftreten, die die Ausbildung einen supraleitenden Zustands unterstützen. Unter Verdacht haben Sun und Kollegen Lücken in der Kristallstruktur, die unter hohen Drücken von Eisenatomen gefüllt werden und so zu einer neuen, supraleitenden Phase des Materials führen könnten.

Um diese Frage zu klären, planen die Physiker nun weitere Druckversuche. Bei diesen soll parallel zu der Messung der Sprungtemperatur über die Streuung von Neutronen die möglichen Strukturveränderungen des Supraleiters genau analysiert werden. Diese Experimente könnten nicht nur die beiden Supraleiter-Phasen der Eisen-Chalkogenide verstehen helfen, sondern auch weitere Hinweise auf die Rolle der magnetischen Eisenatomen liefern.

Jan Oliver Löfken

PH

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