10.03.2015

Zwerge im galaktischen Vorgarten

Überraschende Entdeckung könnte kosmologisches Standardmodell stützen.

Wo sind all die Zwerggalaxien? Es gibt viel weniger von den kleinen Sternsystemen, als Computersimulationen im Rahmen des von den meisten Astrophysikern bevorzugten und auch durch die genauen Messungen des Astronomie-Satelliten Planck bestätigten kosmologischen Standardmodells vorhersagen. Bislang rätseln die Forscher, ob unbekannte Effekte die Entstehung kleiner Sternsysteme unterdrückt haben – oder ob das Standardmodell nicht doch eine Modifizierung benötigt. Die überraschende Entdeckung bislang unbekannter Zwerggalaxien in der Regionen um die beiden Magellanschen Wolken deutet nun auf eine einfachere Erklärung: Die vermeintlich fehlenden Zwerggalaxien wurden einfach nur übersehen, weil sie so schwach leuchten.

Abb.: Die Lage der neu entdeckten Zwerggalaxien relativ zu den Magellanschen Wolken am Südhimmel. Vergrößerungen zeigen an zwei Beispielen, wie unscheinbar die kleinen Systeme am Himmel erscheinen. (Bild: S. Koposov et al., U. Cambridge)

Sergey Koposov von der britischen University of Cambridge und seine Kollegen haben mit der Dark Energy Camera am vier Meter großen Victor M. Blanco Telescope des Cerro Tololo Inter-American Observatory in Chile insgesamt neun extrem leuchtschwache, ausgedehnte Objekte im Umfeld der beiden Satellitengalaxien unserer Milchstraße aufgespürt. Drei davon mit Entfernungen von 97.000 bis 1,2 Millionen Lichtjahren können die Forscher aufgrund ihrer Morphologie eindeutig als Zwerggalaxien klassifizieren. Bei den anderen sechs Objekten ist dies schwieriger. Auch wenn Koposov und seine Kollegen bei den meisten eine Einstufung als Zwerggalaxie präferieren, können die Astronomen nicht ausschließen, dass es sich um Kugelsternhaufen handelt.

Weitere spektroskopische Beobachtungen sind nötig, um den Charakter dieser leuchtschwachen Begleiter unserer Milchstraße eindeutig zu bestimmen. Die Unterscheidung zwischen Zwerggalaxien und Kugelsternhaufen ist dabei aufgrund der unterschiedlichen Entstehungswege kosmologisch von Bedeutung: Die Dynamik von Zwerggalaxien wird wie bei größeren Sternsystemen von Dunkler Materie dominiert, in Kugelsternhaufen dagegen sind die Sterne – also die baryonische Materie – der bestimmende Anteil.

Abb.: HIer sind eineige der neu entdeckten Zwerggalaxien zur Illustration in eine Aufnahme der Auxiliary Telescopes des VLT der ESO eingezeichnet, die anderen liegen außerhalb des Bildausschnitts. (Bild: ESO / Y. Beletsky / V. Belokurov, S. Koposov, U. Cambridge)

Die zentrale Aufgabe der Dark Energy Camera ist die Suche nach Galaxien im frühen Universum zur Untersuchung der kosmischen Expansionsgeschichte. Frühere Durchmusterungen des Südhimmels mit anderen Instrumenten nach Zwerggalaxien hatten nur wenige neue Objekte gefunden. Umso mehr waren Koposov und seine Kollegen überrascht, auf den Aufnahmen der Dark Energy Camera so viele leuchtschwache, ausgedehnte Objekte in unserer kosmischen Nachbarschaft zu entdecken. Die starke Häufung der Zwerggalaxien um die Magellanschen Wolken herum deutet nach Ansicht des Teams auf einen physikalischen Zusammenhang zwischen den Sternsystemen hin. Vielleicht sind oder waren die kleinen Systeme gravitativ an die Magellanschen Wolken gebunden. Oder die Magellanschen Wolken und die neuen Zwerggalaxien bildeten einst eine größere Galaxiengruppe, die auf die Milchstraße zu gefallen ist.

Rainer Kayser

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