04.01.2016

Zwergplaneten im Fokus

Jahresrückblick Sonnensystemforschung 2015: Erstmals besuchten Raumsonden Pluto und Ceres.

Am 24. August 2006 verlor Pluto seinen offiziellen Status als Planet. Zu diesem Zeitpunkt war die NASA-Raumsonde New Horizons bereits über ein halbes Jahr zu ihm unterwegs. Das Startfenster bot die einmalige Chance, den Himmelskörper auf seiner Bahn zu besuchen, bevor er sich in den nächsten Jahrzehnten immer weiter von der Sonne entfernt. New Horizons flog nur vorbei: Es blieben nur wenige Stunden für die entscheidenden Messungen von Pluto und seinen fünf Monden.

Abb.: Pluto und sein größter Mond Charon im Vergleich. (Bild: NASA / JHU / SwRI)

Am 14. Juli war es so weit, New Horizons näherte sich bis auf 12.500 Kilometer. Die Bilder zeigen eine vielseitige Oberfläche mit flachen hellen Ebenen und dunkleren Gebirgszügen. Besonders die helle Tombaugh Regio sticht hervor, eine aus verschiedenen Gletschern bestehende Ebene. Wegen der niedrigen Temperaturen besteht das Eis dort überwiegend aus Stickstoff und Kohlenstoffmonoxid, aus dem vereinzelt Berge aus Wassereis heraus ragen. Die gesamte Region gilt als vergleichsweise jung, da sie im Vergleich zu anderen Regionen auf Pluto kaum Krater aufweist.

Auch Plutos Monde überraschten die Planetologen. Schon vorab hatten Aufnahmen des Hubble-Teleskops gezeigt, dass drei von ihnen in einer Dreikörper-Resonanz um den Zwergplaneten kreisen. Dann zeigten besonders die Nahaufnahmen vom größten Mond Charon durch New Horizons, dass sich dieser sehr von Pluto unterscheidet. Die Arbeit mit den von New Horizons gelieferten Messdaten ist allerdings noch lange nicht abgeschlossen. Ein Großteil davon liegt noch an Bord der über fünf Milliarden Kilometer entfernten Sonde und soll im Laufe eines Jahres zur Erde übertragen werden. Für das Jahr 2019 ist dann ein weiterer Vorbeiflug an einem Objekt im Kuipergürtel vorgesehen.

Ceres und seine weißen Flecken

Im Vergleich schien der Besuch der Raumsonde Dawn beim Zwergplanet Ceres seit März 2015 zunächst fast langweilig. Als größter Körper im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter befindet sich dieser knapp innerhalb der Schneelinie des Planetensystems: Ceres kreist ausreichend nah um die Sonne, um als Körper ohne schützende Atmosphäre bereits alle flüchtigen Stoffe verloren zu haben. Tatsächlich offenbarte sich der Kamera an Bord der Raumsonde zunächst eine mondartige, kraterzerfurchte Welt. Doch schon auf den ersten Bildern zeigte sich auch ein überraschend heller Fleck, der die sonst dunkle Oberfläche weit überstrahlte.

Abb.: Die weißen Flecken auf Ceres bestehen offenbar aus Salz, unter der Oberfläche gibt es auch Wasser-Eis. (Bild: NASA / JPL / UCLA / MPS / DLR / IDA)

Bis Dezember schraubte sich Dawn mit seinen schubschwachen Ionentrieb bis auf eine minimale Höhe von 375 Kilometer hinab. Auf den Bildern zeigten sich über die Oberfläche verteilt viele solcher Punkt, unter denen der im Krater Occator der dominanteste ist. Occator fiel schon deshalb ins Auge, weil seine Wände teilweise 2000 Meter fast senkrecht aufragen. Neueste Erkenntnisse der Dawn-Forscher zeigen, dass Ceres wie Pluto tatsächlich über Eis verfügt, das aber offenbar unter seiner Oberfläche verborgen ist. Demnach bestehen die hellen Flecken aus einem Salz – den Rückständen von entgasendem Eis in der Tiefe. Gleichzeitig steigen im Sonnenlicht immer wieder Wasser­dampf­schwaden hervor.

Rosettas Komet

Im Zentrum der planetologischen Forschung des Jahres stand weiter die Raumsonde Rosetta, die seit August 2014 den Kometen Tschurjumow-Gerasimenko umkreist. Ziel der Mission war unter anderem ein besseres Verständnis der Frühzeit des Sonnensystems. Denn Kometenkerne gelten als fast unveränderte Überreste jener Zeit. Schon die Hantelform des Kometen deutete darauf hin, dass er ursprünglich aus zwei Teilen bestanden haben könnte. Die auffällige Schichtung auf der Kometenoberfläche – kombiniert mit Simulationen – zeigte nun, dass tatsächlich einmal zwei größere Brocken sanft zusammengestoßen sein mussten. Solche Kollisionen dürften vor rund 4,5 Milliarden Jahren häufig stattgefunden haben.

Auch das Kometenmaterial selbst sorgte für Überraschungen: So entdeckte ein Massenspektrometer von Rosetta zum ersten Mal überhaupt molekularen Sauerstoff in der extrem dünnen Atmosphäre des Kometen. Der Sauerstoff kann den Forschern zufolge nur aus der Entstehungszeit des Sonnensystems übrig sein und muss irgendwie über die letzten Jahrmilliarden im Kometeneis konserviert worden sein. Dafür spricht auch der Fund von Stickstoff in den Ausgasungen. Messungen des Edelgases Argon wiesen zudem darauf hin, dass das Wasser der Erde offenbar nicht von Kometen geliefert worden ist, als unser Planet vor über vier Milliarden Jahren ausreichend abgekühlt war.

Bis August 2015 näherte sich „Tschuri“ schließlich seinem Perihel, dem sonnennächsten Punkt seiner Bahn. Der Komet schleuderte in dieser Zeit nicht nur auf der sonnenbeschienenen Seite Staubjets ins All, sondern auch auf seiner Nachtseite, die vermutlich genügend Wärme gespeichert hatte. Der feste Kometenkern gibt dazu jeweils unterschiedlich viel Wasserdampf und Kohlendioxid ab, eventuell je nach regionaler Jahreszeit auf seiner Ober­fläche. Die genauen Ursachen dafür müssen aber weiter untersucht werden.

Dynamische Erde

Neben den Kometen bleibt die Erde wohl einer der Körper im Planeten­system, der sich innerhalb weniger Jahrmillionen grundlegend verändern kann. Das zeigt etwa das Anwachsen und Abschwellen des Grönländischen Eisschildes: Vor gerade 2,7 Millionen Jahren war die Insel noch eisfrei. Erst eine Kette geologischer Ereignisse machte Grönland offenbar zum Träger des weltweit zweitgrößten Festlandgletschers. Dazu gehörte aufsteigende und westwärts wandernde Magma unterhalb von Island, was Grönland immer mehr anhob und damit für Schneefall sorgte. Erst die Plattentektonik und die driftende Erdachse verschoben die Insel schließlich ausreichend weit in arktische Gefilde.

Geophysiker entschlüsselten weiterhin die Rolle eines bislang kaum beachteten Wellentyps, der sich eher gemächlich am Grund von Weltmeeren fortpflanzt. Solche internen Wellen haben offenbar einen signifikanten Einfluss auf Wellenhöhen an der Wasseroberfläche. Sie könnten auch das globale Wetter und somit Klimamodelle beeinflussen. Geradezu im Widerspruch mit den Klimavorhersagen ist eine andere Studie, die sich mit Wetterextremen im Zuge des Klimawandels beschäftigt. Demzufolge führt vermehrt verdun­sten­des Wasser auf einer wärmeren Erde nicht wie bisher ange­nommen zwingend auch zu häufigeren und schwereren Stürmen.

Auch das Erdmagnetfeld gehört zu den Besonderheiten der Erde, das die Atmosphäre und die Lebenswelt vor geladenen Teilchen des Sonnenwinds schützt. Anhand von uralten Mineralen konnten Geologen nun den Startpunkt des Geodynamos fast eine Milliarde Jahre zurückverlegen, auf über bis zu 4,4 Milliarden Jahre.

Die Entstehung des Erdmondes gilt mittlerweile als geklärt: Demnach stieß vor 4,5 Milliarden Jahren ein etwa marsgroßer Planeten mit der Protoerde zusammen, was eine immense Trümmerwolke hinterließ. Nur war damit die heutige Neigung der Mondbahn gegenüber dem Erdäquator nicht zu erklären, die mit fünf Grad relativ groß ist. Modelle zeigten nun, dass allein der Vorbei­flug einiger Planetesimale im jungen Sonnensystem ausgereicht haben müsste, die Bahnebene der Mondbahn zu kippen. Kleinere Brocken dürften in dieser Zeit auch auf die Erde gestürzt sein und brachten dadurch Edelmetalle in die Erdkruste. Denn die Edelmetalle aus der Entstehungszeit der Erde sollten längst tief im Erdkern und Erdmantel verschwunden sein.

Gut überwachter Mars

Allein am Mars operierten im Jahr 2015 sieben Raumsonden, so viele wie nie zuvor. Entsprechend erstreckten sich die Erkenntnisse vom Planeten von seiner jungen Vergangenheit bis in die Gegenwart. Dazu gehört etwa eine schlüssige Erklärung für die zwei Gesichter der Marsoberfläche: Sie ist im Norden durch ein flaches Hochland geprägt, während ein gebirgiges Hoch­land die südliche Hemisphäre dominiert. Modellen zufolge könnte diese Dichotomie durch einen gewaltigen Meteoriteneinschlag nahe des Südpols vor über 4,1 Milliarden Jahren entstanden sein. In dessen Folge bildete sich ein Magmaozean, der die Südhemisphäre ausfüllte und erkaltet schließlich das heutige Hochland bildete. Gleichzeitig setzte der Einschlag global einen Vulkanismus in Gang, der viele hunderte Jahrmillionen anhielt.

In Folge vieler aktiver Vulkane dürfte der Mars eine dichte Atmosphäre besessen haben, was schon lange vermutet wird. Nun bestätigten auch Messungen der auf die Atmosphäre spezialisierten NASA-Sonde Maven diese Hypothese. Forscher leiteten zudem mit erdgebundenen Teleskopen aus den Eigenschaften der Atmosphäre ab, dass der Mars in seinem nördlichen Hochland einen Ozean besessen haben dürfte.

Heute ist der Mars allerdings recht trocken, da seine extrem dünne Atmo­sphäre gar kein flüssiges Wasser zulässt. Allerdings zeigen Strukturen an den Hängen großer Krater, dass dort regelmäßig gewaltige Gerölllawinen niedergehen dürften, deren Größe nur mithilfe von flüssigem Wasser erklärbar sind. Solche Muren waren vermutlich zahlreicher, als die Rotations­achse des Mars noch schräger stand und somit ausgeprägtere Jahreszeiten hervorrief.

Eisige Monde und heiße Planeten

Der heißeste Kandidat für die Suche nach Leben im Sonnensystem ist der Mars allerdings nicht mehr. Während die Eismonde des Jupiter mit ihren flüssigen Ozeanen unter kilometertiefem Eis seit jeher als aussichtsreich, aber schwer zu erforschen gelten, liegt die Hoffung derzeit auf dem Saturnmond Enceladus. Denn der besitzt ein ganzes Feld von Geysiren, die den Inhalt seines tiefen Ozeans in den Messbereich der Raumsonde Cassini schleudern. Cassini wies darin nun auch silikatische Partikel nach, die für vulkanische Aktivität in der Tiefe des Eismondes sprechen. Somit könnte Enceladus neben flüssigem Wasser auch Nährstoffe bereitstellen, um ähnlich wie die Tiefsee der Erde Lebewesen zu ernähren. Das zu entdecken, wäre allerdings Aufgabe für zukünftige Sonden. Cassini flog am 19. Dezember 2015 zum letzten Mal sehr dicht an dem Mond vorbei – ihre Mission soll 2017 enden.

Abb.: Geysire auf dem Saturnmond Enceladus. (Bild: NASA / JPL / Space Science Institute)

Am Merkur ging die einzige aktive Mission bereits am 30. April 2015 zu Ende: Messenger stürzte wie geplant auf die Oberfläche, nachdem der Treibstoff aufgebraucht war. Auf dem Weg dorthin konnte die NASA-Sonde noch nachweisen, dass der sonnennächste Planet alte restmagnetisierte Gesteine besitzt, deren Feldrichtung nicht dem heutigen Magnetfeld des Planeten entspricht. Das zeige, dass Merkur wie die Erde schon seit vielen Jahr­milliarden einen Geodynamo aus flüssigem und festen Kern besitzen muss.

Die nächste Merkursonde BepiColombo von der ESA startet frühestens 2017. Dafür geht bereits im nächsten Jahr die Erforschung der Venus weiter: Japans Raumfahrtagentur JAXA gelang es am 7. Dezember, ihre Sonde Akatsuki in den Orbit einzuschießen. Das gleiche Manöver war fünf Jahre zuvor misslungen, wodurch Akatsuki eine Extrarunde um die Sonne drehen musste.

Karl Urban

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