Zwischen Nova und Supernova
Mittelhelle stellare Ausbrüche werden wahrscheinlich durch dichte Gasnebel in engen Doppelsternsystemen hervorgerufen.
Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlichster Eruptionen in den Tiefen des Alls. Neben den prinzipiell recht gut verstandenen Novae und Supernovae gibt es jedoch eine Klasse von Ausbrüchen, die von der Helligkeit her zwischen diesen liegt, sich bislang aber nicht eindeutig klassifizieren ließ. Solche ILRTs, Intermediate Luminosity Red Transients – vorübergehende mittelhelle Ausbrüche, konnten nur indirekt verschiedenen Erklärungsmodellen zugeordnet werden. Kanadische Forscher haben nun eine Studie vorgelegt, derzufolge diese Phänomene bei engen Doppelsternsystemen auftreten und mit Materialfluss von einem zum anderen Partner einhergehen. Dies kann zur Entstehung eines dichten Gasnebels führen, der beide Partner umschließt.
Abb.: Das System V838 Monocerotis legte 2002 einen großen Ausbruch an den Tag, wobei ein großer Teil der Hülle einer der beiden Doppelsterne ausgeworfen wurde. (Bild: NASA / ESA)
Ein solcher Prozess kann bei sehr unterschiedlichen Doppelsternsystemen auftreten: Sowohl normale und Röntgen-Doppelsterne kommen hierfür in Frage, aber auch Supernova Ia-Vorläufer und kataklysmische Veränderliche, bei denen ein Weißer Zwerg Teil der Partie ist. Wenn die beiden Partner sich im Lauf der Zeit immer näher kommen, nimmt auch der Materialtransport zwischen ihnen zu, wobei der dichtere der beiden irgendwann einen großen Teil der Hülle des anderen absaugt.
Wenn die Geschwindigkeit des Materialtransfers groß genug ist, kann dieser nicht die gesamte Gasmasse schnell genug akkretieren. Um den aufnehmenden Partner bildet sich eine Gaswolke, die schließlich auch den anderen Stern umhüllt. Dadurch wirkt auf die Doppelsterne neben Gezeitenkräften auch ein gewisser Reibungswiderstand, während Energie und Drehmoment von ihnen auf die Gashülle übertragen wird.
„Solche Prozesse, bei denen sich eine gemeinsame Hülle bildet, beginnen, wenn ein Doppelsternsystem instabil wird und zerfällt“, so Natalia Ivanova von der University of Alberta. Der Prozess kann damit enden, dass entweder beide Sterne miteinander verschmelzen oder dass sich die Gashülle so weit aufheizt, dass es zu einem Ausbruch kommt. Dabei wird ein beträchtlicher Teil der Gaswolke ausgestoßen, typischerweise beinahe die gesamte Hülle eines der beiden Sterne.
Falls nur eine Gaseruption und keine Verschmelzung stattfindet, befinden sich die Doppelsterne nach dem Prozess deutlich näher aneinander als vorher. Die temporäre Ausbildung einer gemeinsamen Hülle liefert damit eine gute Erklärung für das Auftreten besonders kompakter Doppelsternsysteme. Aber auch, wenn es zu einer Verschmelzung beider Sterne kommt, kann ein starker Massenausstoß stattfinden.
Die Forscher haben einige bekannte ILRTs mit neuen Simulationsdaten verglichen und dabei festgestellt, dass sie sowohl in Bezug auf die Spektralverteilung, die Auswurfgeschwindigkeit und die zeitliche Abfolge zusammenpassen. Die Geschwindigkeit der ausgestoßenen Gashülle bewegt sich im Bereich von 200 bis etwa 1000 Kilometern pro Sekunde und liegt damit deutlich unter den Expansionsgeschwindigkeiten vergleichbarer Ausbrüche von Novae oder Supernovae. ILRTs sind in dieser Hinsicht zwar weniger rasant. Die gesamte freiwerdende Energie sorgt aber für eine größere Helligkeit als bei Novae, auch wenn sie nicht die Leuchtkraft von Supernovae erreicht.
Abb.: Simulation des Ausbruchs von V1309 Scorpii, 210 Tage nach Verschmelzung des Doppelsternsystems. Die Farben geben die Dichteverteilung an. (Bild: J. C. Lombardi Jr.)
Ein eher schwacher Ausbruch war das 2008 beobachtete Ereignis im System V1309 Scorpii. Bei ihm konnten Astronomen eindeutig nachweisen, dass aus einem Doppelsternsystem nach dem Ausbruch ein einzelner Stern geworden war. Die damalige Eruption erreichte immer noch eine Gesamthelligkeit, die 5000-fach über der des Vorgängersystems lag. Die effektive Temperatur der Gashülle lag bei 4000 Kelvin und damit leicht unter typischen Werten von ILRTs, die bis zu über 5000 Kelvin betragen. Die Farbe solcher Ausbrüche ist also rot, was ihren Namen erklärt. Der sichtbare Radius der Gashülle betrug etwa das 90-fache des Vorgängersystems und entsprach damit rund dem 300-fachen Sonnendurchmesser. Das Plateau der Leuchtkraftentwicklung hielt 25 Tage lang an, bevor die ausgestoßene Hülle sich abzukühlen begann.
Die Wissenschaftler schätzten auch die Häufigkeit ab, mit der sich solche Ausbrüche durchschnittlich ereignen. Für Milchstraßen-ähnliche Galaxien ermittelten sie einen Wert von 0,024 pro Jahr, also rund ein Ereignis in 40 Jahren. Von diesen Eruptionen entfällt ungefähr die Hälfte auf die leuchtstärkeren Auswürfe einer gemeinsamen Hülle von Doppelsternsystemen ohne Verschmelzung beider Partner. Die andere, leuchtschwächere Hälfte wird durch Verschmelzungsprozesse hervorgerufen.
Nach den Simulationen sollte auch ein großer Teil der bei der Rekombination in der Gashülle freiwerdenden Energie durch Strahlung freigesetzt werden. Dies würde ein gut sichtbares Identifikationsmerkmal für diese Art eruptiver Prozesse liefern. Die Forscher hoffen, anhand dieser Merkmale weitere Kandidaten aufspüren zu können.
Dirk Eidemüller
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