Physik Journal 10 / 2012

Cover

Im Film „The Perfect Storm“ zeigt ­Hollywood eine fiktive Monsterwelle. (vgl. S. 25; Bild: Bureau L. A. Collection / Sygma / Corbis)

Meinung

Forschung in die Schule!Alan Allinson10/2012Seite 3

Forschung in die Schule!

Das 25. International Young Physicists’ Tournament (IYPT) in Bad Saulgau hat einmal mehr die Bedeutung von ergebnisoffenem und auf Forschung basiertem Lernen gezeigt.

Inhaltsverzeichnis

Oktober10/2012Seite 1

Oktober

Im Film „The Perfect Storm“ zeigt ­Hollywood eine fiktive Monsterwelle. (vgl. S. 25; Bild: Bureau L. A. Collection / Sygma / Corbis)

Aktuell

Maike Pfalz10/2012Seite 6

Highlights der Physik: Der Materie auf den Grund gehen

Stefan Jorda10/2012Seite 7

Forschungsflugzeug HALO: Hochfliegende Klimaforschung

Alexander Pawlak10/2012Seite 8

Physikalisches Institut der Universität Heidelberg: Ein Neubau in hundert Jahren

Stefan Jorda10/2012Seite 10

Neuer Wettersatellit: In 100 Minuten um die Welt

Alexander Pawlak10/2012Seite 12

Documenta: Physik ist keine Kunst

Rainer Scharf10/2012Seite 12

USA

Drohendes Aus für Teleskope Strategie für die Kernforschung Spende fürs ArXiv Windenergie im Aufwind Milliarde für XUV-Technologie

High-Tech

Michael Vogel10/2012Seite 14

Hochpräzise gemessenWenn die Plane Alarm schlägtLaser-ChamäleonZuckermessung ohne Stich

Im Brennpunkt

Kernkräfte auf dem PrüfstandKlaus Blaum10/2012Seite 16

Kernkräfte auf dem Prüfstand

Mithilfe einer Penning-Falle ließen sich die Massen von neutronenreichen Kalium- und Calciumisotopen mit bislang unerreichter Präzision messen.

Forum

Fights unter PhysikernStefan Jorda10/2012Seite 19

Fights unter Physikern

Unter der Schirmherrschaft der DPG fand in Bad Saulgau das 25. International Young Physicists‘ Tournament (IYPT) statt.

Deutschland trifft in der ers­ten Runde auf Neuseeland und Tschechien – so hat das Los entschieden. Noch stehen die Mannschaften in kleinen Gruppen beisammen. Die Anspannung ist ihnen anzusehen, denn in wenigen Minuten beginnt der Weltcup. Nein, von Sport ist hier nicht die Rede, sondern von Physik und rhetorischen Fähigkeiten. Statt Trikots tragen die jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer Schuluniformen in ihren Landesfarben oder treten im dunklen Anzug bzw. Kostüm auf. Und der Wettkampf findet auch nicht im Stadion statt, sondern in einem Klassenzimmer im oberschwäbischen Bad Saulgau. Dort haben die Kontrahenten ihre Notebooks aufgebaut, Kabel liegen kreuz und quer über den Tischen. Vor dem neuseeländischen Team steht ein Stofftier als Maskottchen, ein Kiwi; den Deutschen soll offenbar ein Pinguin Glück bringen. Neben den fünfköpfigen Mannschaften drängen sich noch eine Jury sowie zahlreiche neugierige Zuschauer in den kleinen Raum.

Fast ein Jahr lang haben sich die Schülerinnen und Schüler auf diesen Moment vorbereitet. Sie haben an zahllosen Nachmittagen und Wochenenden versucht, 17 Aufgaben aus der Physik zu knacken.+) Aus 28 Ländern, darunter Australien und Brasilien, Nigeria und Südkorea, China und Russland, sind sie Ende Juli nach Bad Saulgau gekommen, um beim 25. International Young Physicists’ Tournament (IYPT) ihre Lösungen zu präsentieren und gegenüber kritischen Nachfragen zu verteidigen, auf Englisch natürlich. Fünf Runden („Fights“) tragen die Teams in den nächsten Tagen aus. Dabei besteht jeder „Fight“ aus drei einstündigen Abschnitten mit wechselnden Rollen: Jedes Team präsentiert einmal seine Lösung einer Aufgabe („Reporter“), hinterfragt kritisch die Präsentation eines anderen Teams („Opponent“) und beurteilt die Rolle von Reporter und Opponent („Reviewer“).
Das deutsche Team eröffnet als „Opponent“ die erste Runde. „Wir fordern Euch heraus zur Aufgabe 6“, wendet sich der deutsche Kapitän Michael Kern vom Schülerforschungszentrum Südwürttemberg (SFZ) an das neuseeländische Team, das nach kurzer Beratung akzeptiert – dreimal darf jede Mannschaft während des gesamten Turniers ohne Punktabzug passen. Genau fünf Minuten haben die Neuseeländer jetzt Zeit, ihre Präsentation vorzubereiten. Dann tritt Oliver Hughes vor mit einem Spielzeug in der Hand: Ein hölzerner Specht ist mit einer Spiralfeder an einem Holzring befestigt, der auf einer Stahlstange gleiten kann. Die Aufgabe dazu lautet kurz und knapp: „Der Specht führt eine oszillierende Bewegung aus. Untersuche und erkläre die Bewegung.“ Hughes hebt den Specht an und zeigt, wie dieser klopfend an der Stange herabrutscht. Dann erläutert er, wie durch das Verkanten des Holzrings auf der Stange der periodische Wechsel zwischen Rutschen und Klopfen zustande kommt, präsentiert Messdiagramme, betrachtet die elastische Energie der Feder sowie die Gravitationsenergie, diskutiert die Frage, ob das Hookesche Gesetz auch gilt, wenn die Feder nicht gestreckt, sondern gebogen wird und analysiert verschiedene Parameter. Auf einem großen Monitor läuft eine Uhr, nach neun Minuten wechselt ihre Farbe von Grün auf Orange, nach zwölf Minuten auf Rot. Auf die Sekunde genau kommt Hughes mit seiner Präsentation zum Ende. ...

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Überblick

Monsterwellen im ModellNorbert Hoffmann und Amin Chabchoub10/2012Seite 25

Monsterwellen im Modell

Lassen sich riesige Meereswellen als Lösungen der nichtlinearen Schrödinger-Gleichung beschreiben?

Riesige Wellen, die auf offener See wie aus dem Nichts zu kommen scheinen und Schiffe versenken können, galten lange Zeit als Seemannsgarn. Mittlerweile ist unstrittig, dass solche „Monsterwellen“ exis­tieren, doch ihre Entstehungsmechanismen werden nach wie vor kontrovers diskutiert. Jüngere Arbeiten deuten darauf hin, dass spezielle Lösungen der nichtlinearen Schrödinger-Gleichung einen Schlüssel zum Verständnis bilden könnten.

Im Jahr 1826 berichtete der französische Kapitän Dumont d’Urville, ein erfahrener Expeditionsleiter und Wissenschaftler, von 30 Meter hohen Meereswellen, die seine Mannschaft und er mit eigenen Augen erblickt hatten. Doch niemand wollte ihren Beobachtungen Glauben schenken. Stattdessen sah sich der Kapitätn öffentlichem Spott ausgesetzt. Daran änderte auch nicht die Tatsache, dass bereits seit der Antike Tsunamis, große zerstörerische Wellen in Küstennähe, bekannt waren. Das überraschende Auftreten besonders großer Wellen fern der Küste erschien dagegen wenig glaubhaft. Dennoch ist die Liste der Seefahrer lang, die Erlebnisse mit besonders großen Wellen auf offener See schilderten. Oft war die Rede von „Kaventsmännern“ bei einzelnen großen Wellen, vom Herannahen einer „Weißen Wand“ oder von den „Drei Schwestern“, mehreren (meist drei) besonders großen Wellen in Folge. Manchmal schien sich gar ein besonders markantes Wellental als „Loch im Ozean“ aufzutun. Es liegt in der Natur dieser Phänomene, dass nur selten Seefahrer wohlbehalten an Land kamen, um darüber zu berichten.
Ein Umdenken setzte erst Mitte der 1990er-Jahre ein, ausgelöst durch eine spektakuläre Beobachtung: Am 1. Januar 1995 passierte eine riesige Welle die Offshore-Plattform Draupner in der Nordsee. Die gemessene Höhe von rund 25 Metern dieser später so genannten Neujahrswelle brachte die Welt der Wissenschaft in Bewegung. Forscher untersuchten nun auch frühere Messdaten. In der Tat ließen sich rasch weitere solcher Riesenwellen identifizieren. Bei einer ganzen Reihe mysteriös erscheinender Schiffsunglücke schien es nun plausibel, dass riesige Wellen dabei eine Rolle gespielt haben könnten. In den heutigen Zeiten globaler Container- und Kreuzschifffahrt sind Fälle des Zusammentreffens von Schiffen mit riesigen Wellen gut dokumentiert. Daher besteht mittlerweile Konsens, dass bis zu 30 Meter hohe Meereswellen Realität sind. Phänomenologisch spricht man heute von einer Monsterwelle – im englischen Sprachraum hat sich der Begriff „Rogue Wave“ durchgesetzt –, wenn die auftretende Wellenhöhe mehr als doppelt so groß ist wie die „signifikante Wellenhöhe“ des umgebenden Seegangs. Viele Eigenschaften von Monsterwellen sind aber nach wie vor schlecht oder gar nicht verstanden. Strittig sind etwa Fragen nach Entstehungsmechanismen, Ausprägungsformen, Auftrittswahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten zur Vorwarnung. Hier soll im Vordergrund stehen, wie sich Entstehung und Eigenschaften von Monsterwellen physikalisch erklären lassen. Ausgangspunkt ist zunächst die lineare Wellentheorie. ...

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Wie Gene wandernBerenike Maier10/2012Seite 33

Wie Gene wandern

Stochastische Prozesse bestimmen die Dynamik des horizontalen Gentransfers zwischen Bakterien.

Höhere Lebewesen pflanzen sich sexuell fort. Die genetische Erbinformation von Vater und Mutter durchmischt sich dabei so, dass genetische Vielfalt zwischen den Individuen entsteht. Wie aber tauschen Bakterien Gene aus? Einzelmolekülexperimente haben gezeigt, dass Bakterien sehr effiziente molekulare Maschinen besitzen, die es ihnen erlauben, sogar artfremde DNA zu importieren. Genetische Schaltprozesse können die Produktion dieser Maschinen regulieren.

Im Jahr 1928 machte Frederick Griffith eine erstaunliche Beobachtung: Er isolierte und kultivierte das Bakterium Streptococcus pneumoniae, einen häufigen Erreger von Lungenentzündung. Dabei fand er heraus, dass die Bakterien entweder in virulenter oder in avirulenter Form vorkommen. Virulente Bakterien sind von einer Kapsel umhüllt, die dazu führt, dass die Bakterien dem Immunsystem ihres Wirts entkommen. Griffith mischte abgetötete virulente und lebende avirulente Bakterien und infizierte damit Mäuse, die wenige Tage nach der Infektion starben. Die nähere Untersuchung ergab, dass die ursprünglich unbekapselten Bakterien eine Kapsel entwickelt hatten. Heute wissen wir, dass diese Bakterien die DNA der toten virulenten Bakterien aufgenommen und dadurch das Gen für die Kapselbildung akquiriert haben. Dieser Prozess heißt Transformation. Der Versuch von Griffith ebnete den Weg, DNA als Träger der Erb­information zu identifizieren.
Bakterien bestehen aus einer einzigen Zelle und vermehren sich durch Zellteilung, d. h. die Mutterzelle wird einfach dupliziert. Daher haben die Tochterzellen das gleiche Genom (Infokasten) wie ihre Mutterzelle. Durch spontane Mutation und anschließende Selektion verändert sich das Genom von Bakterien langsam. Eine solche Veränderung kann einen Selektionsvorteil mit sich bringen, zum Beispiel bei der Adaptation an wechselnde Umweltbedingungen. Schneller können sich Bakterien beim sog. horizontalen Gentransfer adaptieren, bei dem sich ein Gen mit Selektionsvorteil direkt auf ein anderes Bakterium überträgt. Ein medizinisch besonders wichtiger Selektionsvorteil ist Resistenz gegen Antibiotika, welche ebenfalls durch spontane Mutation von Genen entsteht. Wenn verschiedene Bakterien diese Resistenz­gene untereinander austauschen, können schnell multiresistente Stämme entstehen. Weiterhin werden wie eben beschrieben Virulenzgene ausgetauscht. Statistische Analysen der Genome von verschiedenen Bakterienarten weisen darauf hin, dass sie einen großen Teil ihres gesamten Genoms durch horizontalen Gentransfer akquiriert haben, z. B. etwa 18 % im Darmbakterium Escherichia coli. ...

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Dynamik der MigräneMarkus A. Dahlem10/2012Seite 39

Dynamik der Migräne

Modelle aus der Physik tragen dazu bei, bislang unverstandene Phänomene der Migräne zu erklären.

„Migräne sind Kopfschmerzen, auch wenn man gar keine hat.“ Mit diesen Worten umschreibt Erich Kästner in „Pünktchen und Anton“ das gängige Vorurteil, Migräne sei nur eingebildet. De facto leiden über sechs Millionen Deutsche unter dieser Krankheit, die jährlich volkswirtschaftliche Kosten von über vier Milliarden Euro verursacht. Heute wissen wir, dass Migräne mit einer zeitweisen Unterdrückung der Nervenaktivität einhergeht, die sich wellenartig ausbreitet. Physikalische Modelle zur Elektrophysiologie und Musterbildung helfen, diese Vorgänge zu verstehen und Therapieansätze zu entwickeln.

Bei der Migräne treten fast immer Kopfschmerzen, aber auch vielfältige andere Symptome auf. Die komplexe Ursache dieser Volkskrankheit, von der je nach Diagnostik bis zu 20 Unterformen bekannt sind, ist bis heute nicht vollständig verstanden. Eine Migräne­attacke verläuft in bis zu vier Phasen: Einer etwa eintägigen Vorlaufphase folgt in einem Drittel der Fälle die Auraphase, die mit Fehlleistungen der Sinneswahrnehmung, häufig Sehstörungen, einhergeht. Diese Symptome dauern meist zwischen fünf und sechzig Minuten, sie können aber auch unbemerkt bleiben, wenn das Gehirn den Ausfall geschickt kompensiert oder sie nur sehr kurz anhalten. Danach setzt ein meist pochender Kopfschmerz ein, der 4 bis 72 Stunden andauert und sich bei körperlicher Anstrengung ver­stärkt. Eine eintägige Nachlaufphase beendet die Attacke. Das ist der Regelfall, die Phasen können aber auch isoliert auftreten, die Kopfschmerzphase kann fehlen, und Komplikationen, wie eine über eine Woche persis­tierende Migräneaura, existieren ebenfalls.
Bei den am besten beschriebenen visuellen Auren sehen Betroffene etwas, was nicht in ihrem Gesichtsfeld vorhanden ist, ein halluzinatives Muster, oft ähnlich wie bei Drogenmissbrauch. Im Gegensatz zu solch einem positiven neurologischen Symptom haben Betroffene bei einem negativen neurologischen Symptom einen blinden Fleck, das heißt, sie sehen etwas nicht, was in ihrem Gesichtsfeld liegt. Diese Reiz- und Ausfallerscheinungen verlaufen progressiv, sie beginnen oft klein im Zentrum, kaum merklich in den ersten Minuten, und laufen dann etwa 20 bis 40 Minuten durch Bereiche des Gesichtsfelds nach außen in die Peripherie, wobei sie anwachsen. Typisch ist zuerst eine Reizerscheinung in Form eines charakteristischen Zickzack-Musters, gefolgt von einer Ausfallerscheinung.
Neben den Sehstörungen treten somatosensorische Auren auf, bei denen Betroffene z. B. ein Kribbeln spüren, das entlang ihres Arms wandert, gefolgt von einem Taubheitsgefühl. Störungen der Sprache oder anderer Sinne kommen ebenfalls vor. Die US-Fernsehreporterin Serene Branson zum Beispiel verfiel letztes Jahr während einer Live-Übertragung in ein völlig unverständliches Kauderwelsch – es ist fraglich, ob dieser Migräne­anfall unter anderen Umständen überhaupt diagnostiziert worden wäre. ...

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Physik im Alltag

Gespannt geschütztMichael Vogel10/2012Seite 46

Gespannt geschützt

Die Touchscreens von mobilen elektronischen Geräten müssen viel aushalten. Möglich machen das vorgespannte Deckgläser.

Menschen

10/2012Seite 48

Personalien

Maike Pfalz10/2012Seite 51

„Die Talente der Frauen sollte man nutzen“

Interview mit Sonja Wegener

Bernhard Nunner und Johanna Stachel10/2012Seite 53

Nachruf auf Anne Friedrich

Bücher/Software

Frank Schweitzer10/2012Seite 54

Rainer Feistel, Werner Ebeling: Physics of Self-Organization and Evolution

Siegfried Großmann10/2012Seite 54

Peter Schmüser: Theoretische Physik für Studier­ende des Lehramts 1 – Quanten­mechanik

Dieter Hoffmann10/2012Seite 55

Andrew Brown: Keeper of the Nuclear Conscience. The Life and Work of Josef Rotblat.

DPG

10/2012Seite 57

33. Tag der DPG

10/2012Seite 57

Climate Engineering – ­Eingriff ins Erdklima

Melanie Kämmerer10/2012Seite 57

jDPG: Unglaublich, aber ­IdeenPark

Maike Pfalz10/2012Seite 58

„Das war der perfekte Aufhänger für die Bewerbung”

Interview mit Ralf Funke

10/2012Seite 60

Laborbesichtigungsprogramm „Ein Tag vor Ort“

10/2012Seite 60

DPG-Regionalverband Hessen-Mittelrhein-Saar

10/2012Seite 60

Vorstandsrat

10/2012Seite 62

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10/2012Seite 63

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