18.09.2003

Bedeutende Theorien des 20. Jahrhunderts

Kinnebrock

Bedeutende Theorien des 20. Jahrhunderts.
Von W. Kinnebrock. R.
Oldenbourg Verlag, München 1999. IX + 209 S., Broschur,
ISBN 3-486-24706-9

Das Buch hat den Untertitel "Ein Vorstoß zu den Grenzen von Berechenbarkeit und Erkenntnis. Quantenmechanik - Relativitätstheorie - Gravitation - Kosmologie - Prädikatenlogik"; es will diese Theorien und deren erkenntnistheoretische Konsequenzen "leicht verständlich und unterhaltsam" darstellen. In der Tat ist es gut geschrieben, und man findet darin viele brauchbare Popularisierungen zur relativistischen Physik, zum Welle-Teilchen-Dualismus oder zu einer fraktalen Geometrie gebrochener Dimension. Besonders gelungen sind die einfachen Rechenbeispiele zur Größenordnung relativistischer Effekte oder zur atomaren und kosmischen Längen skala.

Das Vorhaben, die Umbrüche der exakten Wissenschaften von der mathematischen Grundlagenkrise bis zur Chaostheorie amüsant und mühelos darzubieten, hat allerdings seinen Preis. Manche Bilder sind irreführend. Die Zeitdilatation, die sich auf die Lebensdauer eines kosmischen Myons im Labor system auswirkt, wird in Abschnitt 3.5 damit veranschaulicht, dass jemand an zwei Orten gleichzeitig gesehen wird - diese Vorstellung passt eher zu nicht-lokalen Quantenkorrelationen. Die Veranschaulichung des Rayleigh-Jeansschen Strahlungsgesetzes in Abschnitt 6.1 führt zum Bild einer Ultraviolettkatastrophe, bei der ein heißer Stern "fast unendlich viel Energie" abstrahlt. Gravierender sind die Fehler im Kapitel zur Entstehung der klassischen Physik und in den zur Auf lockerung eingestreuten historischen Bemerkungen. Der ontologische Gottesbeweis findet sich schon bei Anselm von Canterbury, nicht erst bei Descartes; Torricelli hat nicht unabhängig von Galilei experimentiert, sondern er war Galileis Schüler; bei Kant ist das "Ding an sich" gerade kein Erkenntnisobjekt; nicht dem jungen Einstein, sondern Planck war vom Physikstudium abgeraten worden. Die falsche Datierung des Nobelpreises für Bohr oder der Entdeckung des sechsten Quarks mag man dagegen als Druckfehler abtun.

Weitgehend fatal ist das Popularitätsstreben für das Anliegen, die Grenzen der Erkennbarkeit und Berechenbarkeit physikalischer Vorgänge darzustellen. Dem Kapitel 6.3 über die Konsequenzen der Quantenmechanik fehlt philosophische Begriffsschärfe. "Messung" wird mit "Beobachtung" gleichgesetzt; und hieraus wird geschlossen, "dass an die Stelle der Objektivität die Subjektivität tritt". Die Darstellung der paradoxen Züge, die Quantenphänomene aus klassischer Sicht haben, wird dann mit einer konstruktivistischen und "ganzheitlichen" Deutung der Theorie vermengt, die alles andere als zwingend ist: "Jede Objektivität ist Illusion. Die Wirklichkeit wird von uns geschaffen. Beobachter und Welt sind eins." Instruktiver sind die Überlegungen zur Chaostheorie, etwa zur Abschwächung des Kausalprinzips. Die Oberflächlichkeit, mit der die Grundlagenkrise der Mathematik behandelt wird, ist ärgerlich. Gödels berühmter Unvollständigkeitssatz gilt gerade nicht für die Prädikatenlogik, sondern erst für die Arithmetik.

Trotz dieser Mängel ist das Buch sicher anregend für Leser, die sich, etwa vor Beginn eines Physikstudiums, einen ersten Überblick über die Wissenschaftsentwicklung im 20. Jahrhundert und damit zusammenhängende erkenntnistheoretische Fragen verschaffen wollen.
Prof. Dr. Dr. Brigitte Falkenburg, Institut für Philosophie, Universität Dortmund

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