22.05.2009

Complex Dynamics of Glass-Forming Liquids

Götze, W.

1984 übertrugen Ulf Bengtzelius, Wolfgang Götze und Alf Sjölander einen zuvor an Helium und Argon erprobten Modenkopp-lungsansatz auf zähere Flüssigkeiten und zeigten, wie eine geringfügige Änderung von Druck oder Dichte eine dramatische Ver-langsamung von Dichtefluktuationen bewirken kann. Das motivierte zahlreiche Experimente und Simulationen, die neuartiges Skalenverhalten im zuvor spektroskopisch kaum beachteten GHz- bis THz-Bereich erschlossen. Die Theorie erwies sich als er-folgreiche Beschreibung der durch Käfig- und Rückfluss-Effekt geprägten kollektiven Dynamik normaler und mäßig unterkühlter Flüssigkeiten. Das Einfrieren dieser Dynamik bereitet den Glasübergang vor, der dann anderen Gesetzen folgt. In kolloidalen Suspensionen, wo thermisch aktivierte Umordnungsprozesse keine Rolle spielen, erklärt die Modenkopplung sogar vollständig das glasartige Erstarren.

Wolfgang Götze, Max-Planck-Preisträger des Jahres 2006, der diese Theorie maßgeblich vorangetrieben und damit eine Schule begründet hat, hat nun das Erreichte zusammengefasst. Der Schwerpunkt liegt auf der mathematisch vollständig durchdrungenen Standardtheorie; Erweiterungen, deren Status noch unklar ist, reißt Götze kurz an.

Das erste Kapitel gibt anhand ausgewählter Experimente einen Überblick über das Skalenverhalten zäher Flüssigkeiten. Die bei-den folgenden Kapitel bereiten die theoretischen Grundlagen: Der Korrelations- und Gedächtnisfunktions-Formalismus von Mori und Zwanzig wird ausführlich dargestellt und in Beziehung zur Hydrodynamik, zu Maxwells viskoelastischer Theorie und zu anderen Grenzfällen gesetzt. Es folgt der eigentliche Modenkopplungsansatz, Korrelationen von Zufallskräften als Funktional von Dichtekorrelationen zu nähern.

Die verbleibenden zwei Drittel des Buches behandeln die Lösungen verschiedener Modenkopplungsgleichungen: schematisch für einzelne Korrelatoren sowie wellenzahlabhängig für ein- und zweikomponentige Kugelsysteme und einfache Molekülmodelle. Das Zusammenspiel von Nichtlinearität und Retardierung ermöglicht verschiedene Erstarrungsszenarien, die klassifiziert und systematisch untersucht werden. Der Gültigkeitsbereich asymptotischer Skalengesetze wird durch Vergleich mit numerischen Lösungen bestimmt.

Vorausgesetzt werden lediglich Grundkenntnisse in klassischer und statistischer Mechanik, in Analysis und linearer Algebra; alles weitere wird im Buch selbst eingeführt. Der Anspruch, die Theorie vollständig nachvollziehbar zu machen, wohltuend in einem Umfeld, in dem die höchstbewertete Publikationsform die nur skizzenhaft argumentierende Werbeschrift („Letter“) ist, ist überaus gründlich eingelöst worden: Entstanden ist ein dichter und langer Text, der ganz aufs lineare Durcharbeiten angelegt ist und zum Nachschlagewerk erst wird, wenn man sich nachhaltig eingelesen hat. Einsteigern ist zu empfehlen, sich zunächst in einfacheren Überblicken zu orientieren.1)

Dr. Joachim Wuttke, Institut für Festkörperforschung, Forschungszentrum Jülich GmbH, Jülich Center for Neutron Science at FRM II, Garching

1) Z. B. W. Kob, Les Houches Lecture 2002, http://arxiv.org/abs/cond-mat/0212344

W. Götze: Complex Dynamics of Glass-Forming Liquids: A Mode-Coupling Theory.
Oxford University Press, Oxford 2008, 654 S., geb., ISBN 9780199235346

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