26.02.2013

Complex Plasmas and Colloidal Dispersions

A. Ivlev, H. Löwen, G. Morfill und P. Royall: Complex Plasmas and Colloidal Dispersions: Particle-resolved Studies of Classical Liquids and Solids, World Scientific, 2012, 320 S., geb., 70,99 €, ISBN 9789814350068

A. Ivlev, H. Löwen, G. Morfill und P. Royall

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Bei den in unterschiedlicher Anordnung mehr oder weniger dicht gepackten kugelförmigen Teilchen auf dem Cover könnte man spontan an Rasterkraftmikroskop-Bildern von Atomen auf Substraten denken. Doch zu sehen sind vielmehr Mikrometer große Plastikteilchen, suspendiert in einem verdünnten ionisierten Gas bzw. kalten Plasma oder einer Flüssigkeit wie z. B. Wasser. Aufgrund langreichweitiger Wechselwirkungen bilden beide Systeme periodisch geordnete kristalline oder auch flüssige, amorphe oder quasikristalline Phasen, abhängig von der Wechselwirkung, Temperatur, Dichte und Verteilung der Partikelgrößen. Daher können sowohl komplexe Plasmen als auch kolloidale Suspensionen als Modellsysteme dienen, um unverstandene Phänomene der kondensierten Materie auf „atomarer“ Skala zu studieren. Dazu zählen der Schmelzprozess von Kristallen oder der Glasübergang. Neben der einfachen Beobachtbarkeit der Teilchen im Lichtmikroskop bieten sie den Vorteil, dass die Bewegungen viele (12 bis 15 !) Größenordnungen langsamer und daher per Video zugänglich sind. Wechselwirkungen zwischen den Teilchen lassen sich über weite Bereiche steuern, etwa durch ihre elektrische Ladung, durch äußere elektrische oder magnetische Felder oder durch entropisch bedingte Anziehung bei Zugabe kleinerer Teilchen.

Das Buch, von je einem Theo­retiker und Experimentator aus beiden Themenbereichen verfasst, ist der erste und, wie ich finde, gelungene Versuch, Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Potenzial und Grenzen komplexer Plasmen und kolloidaler Dispersionen darzustellen. Deren Erforschung hat sich innerhalb des vergangenen Jahrzehnts rasant und parallel zueinander entwickelt.

Nach deren grundlegenden ­physikalischen Eigenschaften ­diskutiert das Buch ihre Ähnlichkeiten und Komplementaritäten. Der größte Unterschied besteht in der stark unterschiedlichen Dissipation: Teilchenbewegungen in komplexen Plasmen sind wegen der geringen Gasdichte nahezu ­ungedämpft, während Kolloide quasi instantan ihren Impuls an die umgebende Flüssigkeit abge­ben. Dies bedeutet, dass kolloidale Systeme im thermischen Gleichgewicht sein können, während die Teilchen im Plasma, die durch elektronische und ionische Ströme permanent angetrieben sind, nur bedingt durch das Neutralgas thermalisiert werden. Nach einem Kapitel zu gängigen experimentellen Methoden besteht der zweite Teil des Buchs aus vielen Beispielen aus beiden Gebieten zu „Teilchen-aufgelös­ten“ Studien an flüssigen Phasen, flüssig-festen Phasenübergängen, binären Mischungen, zur langsamen Dynamik am Glas­übergang, getriebenen Systemen und zu anisotropen Wechselwirkungen durch äußere Felder. Dabei wird immer wieder das unterschiedliche Verhalten von zwei- und dreidimensionalen Systemen betont, etwa beim Schmelzen von Kristallen.

Dies ist allerdings kein Lehrbuch. Studierende sollten das Buch erst lesen, nachdem sie solide Kenntnisse in statistischer Physik, Kolloid- und Plasmaphysik erworben haben. Es richtet sich an Wissenschaftler, die hier einen Einblick in die neuesten Entwicklungen beider Gebiete finden. Die beeindruckende Liste von über 600 Referenzen unterstreicht den Review-Charakter. Bemerkenswert ist die durchweg sorgfältige Diskussion, welche Frage sich jeweils mit Hilfe eines gezielt konzipierten Modell­systems bisher klären ließ oder eben nicht. Der Ausblick macht klar, dass sich beide Gebiete in Zukunft mehr als bisher befruchten und verschmelzen sollten.

Prof. Dr. Georg ­Maret, Universität Konstanz

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