18.09.2003

Das Große, das Kleine und der menschliche Geist

Penrose

Das Große, das Kleine und der menschliche Geist

Von R. Penrose.
Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1998. 232 S., geb.,
ISBN 3-8274-0289-1

Dem Titel entsprechend spannt die Abhandlung den Bogen von der Beschreibung des Universums durch klassische physikalische Gesetze (das Große) über die Theorien der Quantenmechanik (das Kleine) bis hin zu Vorstellungen über das Bewußtsein des Menschen. Zentraler Punkt des fesselnden Buches ist der Versuch, das Bewußtsein auf die Grundlage von quantenmechanischen Aktivitäten in identifizierten Subsystemen von Neuronen zu stellen. Diese Theorie des Geistes wird schließlich von im Buch enthaltenen kritischen Kommentaren renommierter Wissenschaftler aus Physik (S. Hawking) und Philosophie diskutiert. Auf dem gedanklichen Weg zur Theorie des Bewußtseins werden mit sprachlich erfrischender Leichtigkeit auch philosophische Problemstellungen aufgeworfen: Sind die physikalischen Gesetzmäßigkeiten Erfindungen oder Entdeckungen? Für Penrose ist die mathematische Struktur der Welt kein Modell eines Sach verhaltes, sondern tatsächlich in der Natur vorhanden, sie wird also entdeckt.

Zwei Thesen bilden den Kern der Theorie: 1. Das menschliche Gehirn ist kein Computer. 2. Bewußtsein basiert auf quantenmechanischen Vorgängen in den Mikrotubuli der Nervenzellen. Nach der herkömmlichen Vorstellung der Gehirnprozesse als Informationsverarbeitung sind nicht nur unsere mathematischen Kalkulationen oder sprachlich- logischen Fähigkeiten, sondern auch unsere Gefühle, Kreativität und Kunsterleben von zu exakt bestimmenden Algorithmen gesteuert, d.h. die unterliegenden Prozesse sind grundsätzlich formalisierbar. Im Gegensatz dazu postuliert Penrose die Nichtberechenbarkeit von manchen Aspekten geistiger Tätigkeit, selbst von mathematischem Verstehen. Menschliches Verständnis wird dabei mit menschlichem Bewußtsein gleichgesetzt, d.h. Verstehen ist eine Erscheinungsform des Bewußtseins und ist prinzipiell nicht berechenbar. Penrose identifiziert sogar die Basis dieser Art von geistiger Tätigkeit. Im Inneren von Mikrotubuli, röhrenförmige Strukturen der Nervenzelle, die nach dem Stand der neurobiologischen Forschung hauptsächlich zur Zellstabilisierung und für den intrazellulären Transport zuständig sind, soll Signalübertragung durch kohärente Quantenoszillationen ablaufen, die sich über weite Bereiche des Gehirns erstrecken und damit eine Grundlage für Bewußtsein bilden könnte. Diese These entbehrt zwar jeder empirischen Evidenz, sie ist reine Spekulation. Vielleicht macht aber genau dieser Umstand den Reiz des Buches aus, empirische Wissenschaft und mathematisches Kalkül treffen auf spekulative Philosophie und bekommen den Charakter einer Kunstschöpfung. Ein spannendes Buch.
Dr. Marc Wittmann, Institut für Medizinische Psychologie, LMUMünchen

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