Die Evolution des Universums
Felicitas Mokler: Die Evolution des Universums, Kosmos, Stuttgart 2022, geb., 224 S., 34 Euro, ISBN 9783440173411
Felicitas Mokler
Deutschsprachige, populärwissenschaftliche Bücher über Kosmologie bilden inzwischen eine recht stattliche Bibliothek, die durch dieses Buch Zuwachs erhält. Was zeichnet es gegenüber anderen aus? Schon die Gliederung zeigt, dass die Autorin etwas anderes im Sinn hatte, als nur ein weiteres Mal das kosmologische Standardmodell mit seinen Verzweigungen zu beschreiben. Dieses Modell steht zwar im Zentrum, aber das Buch ist weit mehr nach physikalischen Prozessen gegliedert als nach deren astronomischen Erscheinungsformen. Das erleichtert den Überblick erheblich.
Zwei einführende, historisch orientierte Kapitel gehen voran, dann folgen als erster Prozess die Entstehung und Entwicklung kosmischer Strukturen. Dabei wird die zentrale Bedeutung hervorgehoben, die Dunkle Materie und eine hypothetische frühe, inflationäre Phase für die moderne Kosmologie haben. Der zweite Prozess betrifft die Bevölkerung der zunächst dunklen Strukturen durch leuchtende Objekte und den Beitrag, den Schwarze Löcher dazu geleistet haben mögen. Der dritte Prozess beginnt mit der chemischen Anreicherung des Universums und setzt sich mit den Vorgängen fort, die auf diese Chemie angewiesen sind. Bei der Entstehung von Sternen ebenso wie Planeten spielen Moleküle und Staub eine entscheidende Rolle. Ein vierter Prozess schließlich prägt die vielfältige Morphologie der Galaxien. Durch Wechselwirkungen oder Verschmelzungen miteinander sowie durch Schwarze Löcher in ihren Zentren zeigen Galaxien verschiedenste Formen der Aktivität, deren intensivste Phase allerdings schon etwa die Hälfte der heutigen kosmischen Geschichte zurückliegt. Schwierig zu beantworten sind nach wie vor die Fragen nach den Zeit- und Längenskalen des Universums. Zwar sind unsere Messungen erheblich präziser geworden, aber gerade diese Messgenauigkeit deckt hartnäckige Unstimmigkeiten auf. Das Buch schließt mit einem Ausblick auf die nahe Zukunft, in der sich unsere Beobachtungsmöglichkeiten abermals gewaltig steigern werden.
Mindestens fünf seiner Eigenschaften machen dieses Buch besonders lesenswert: Erstens ist es modern und bezieht neueste Erkenntnisse mit ein. Zweitens zeigt es auf überzeugende Weise, dass die Kosmologie heute nicht mehr für sich allein steht, sondern eng mit der Teilchenphysik verflochten ist, was bereits für viele wichtige Einsichten gesorgt hat. Drittens ist es klar verständlich und nüchtern geschrieben, verzichtet auf Geraune und Spekulationen und wirkt gerade dadurch überzeugend. Viertens ist es höchst eindrücklich illustriert und stellt schließlich fünftens eine solche Fülle atemraubender Aufnahmen zusammen, dass man selbst als schon etwas angegraute Existenz über den Formenreichtum unserer Welt nur staunen kann. Viele Bilder sind von geradezu künstlerischer Schönheit, und mindestens zwei davon, die von dem noch jungen James Webb-Weltraumteleskop stammen, sind auch wegen der physikalischen Konsequenzen überwältigend. Dieses Buch bereichert die einleitend genannte kosmologische Bibliothek durchaus und erweitert sie wesentlich. Die hervorragende Qualität der Bildreproduktion, die ästhetische Gestaltung und der zurückhaltende, angenehme Schriftsatz tragen wesentlich dazu bei.
Prof. Dr. Matthias Bartelmann,
Universität Heidelberg