22.04.2004

Die Präsidenten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus

Kohl

Die Präsidenten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus

Diese Monografie, mit der die Autorin an der Berliner Humboldt-Universität promovierte, bietet eine ausführliche, objektive und kritische Biografie der drei Präsidenten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) während des Drittes Reichs.

Die Sympathien der Autorin Ulrike Kohl liegen offenbar bei den behandelten Personen, doch sie beleuchtet auch die dunkleren, weniger vortrefflichen Seite dieser drei Männer in ihrer Rolle als Präsidenten der wichtigsten deutschen Wissenschaftsorganisation. Der Physiker Max Planck (KWG-Präsident bis 1937) arrangierte sich mit dem Nationalsozialismus, indem er bei der Organisation der KWG Zugeständnisse machte, um nicht völlig die Kontrolle zu verlieren. Die Autorin vertritt die Auffassung, dass sich Planck und sein Untergebener Friedrich Glum darum bemühten, die ¿Freiheit der Wissenschaft¿ zu erhalten, oder wie es Kohl nennt ¿eine gewisse Unabhängigkeit¿ (S. 109). Damit lässt sie die Argumentation der KWG-Repräsentanten nach dem Krieg anklingen, wonach die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Vergleich zu den Universitäten und zur Deutschen Forschungsgemeinschaft vergleichsweise unabhängig geblieben sei. Allerdings fragt Ulrike Kohl nicht danach, ob die Forschung unter dem NS-Regime wirklich frei sein konnte. Sie bietet weder einen objektiven noch einen relativen Maßstab dafür, inwieweit die Forschung vom Dritten Reich unabhängig war.

Plancks Nachfolger, der Industrielle Carl Bosch, wurde während seiner kurzen Amtszeit (bis 1940) als KWG-Präsident durch Krankheit stark behindert. Unter Bosch wurde Friedrich Glum durch Ernst Telschow als obersten Verwaltungsbeamter der KWG ersetzt. Telschow, ein Mitglied der NSDAP, arbeitete verstärkt darauf hin, mit dem NS-Staat zu kooperieren, um Konflikte mit diesem zu vermeiden. Obgleich Bosch keineswegs vom Nationalsozialismus begeistert war, stellte er seine Firma, die IG Farben, in den Dienst des NS-Staates und profitierte von dessen Wirtschaftspolitik. Er versuchte sich, allerdings mit wenig Erfolg, für Lise Meitner einzusetzen, als diese aus der KWG herausgedrängt wurde.

In dieser Zeit nahmen zahlreiche Kaiser-Wilhelm-Institute militärische Forschungen auf. Aber obwohl Bosch und Telschow dies unterstützten, ¿existieren keine Hinweise darauf, dass Telschow oder Bosch kriegswirtschaftliche Forschungen gegen den Willen einzelner Institute durchführen ließen¿, so Ulrike Kohl (S. 149).
Als Bosch starb, arbeitete die KWG zunächst ohne Präsident weiter, aber schließlich folgte ihm 1941 ein weiterer Mann aus der Industrie, der Stahlindustrielle Albert Vögler. Kohl merkt hier an, dass Vögler zwar ¿kein eingeschriebenes Mitglied der NSDAP war¿ (S. 204) und den Antisemitismus ablehnte, aber dennoch eng mit Albert Speer zusammenarbeitete, einem der wichtigsten Repräsentanten der deutschen Industrie im NS-Staat. Als eine Folge dieser Zusammenarbeit stützte Vögler nachhaltig die militärische Forschung an den KWG-Instituten.
Dieses Buch ist eine wichtige Quelle für Wissenschaftshistoriker, Historiker des Nationalsozialismus und Wissenschaftler, die sich für die Geschichte der deutschen Wissenschaft unter Hitler interessieren. Dass die Physik eine wichtige Rolle in der deutschen Forschung allgemein wie in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft spielte, betont Ulrike Kohl besonders.

Prof. Dr. Mark Walker, Department of History, Union College, Schenectady, New York,

Weitere Infos:

U. Kohl: Die Präsidenten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus
Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2002, 281 Seiten, Geb. ISBN 3-515-08049-X

Dieses Buch können Sie direkt bei amazon.de   

Virtuelle Jobbörse

Virtuelle Jobbörse
Eine Kooperation von Wiley-VCH und der DPG

Virtuelle Jobbörse

Innovative Unternehmen präsentieren hier Karriere- und Beschäftigungsmöglichkeiten in ihren Berufsfeldern.

Die Teilnahme ist kostenfrei – erforderlich ist lediglich eine kurze Vorab-Registrierung.

ContentAd

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Die HiPace 10 Neo ist ein effizienter, kompakter Allrounder für den Prüfalltag, der geräuscharm und besonders energieeffizient ist.

Meist gelesen

Themen