24.06.2003

Die Welt als Raum und Zeit

Friedmann


Von A. Friedmann, hrsg. von G. Singer. Verlag Harri Deutsch, Thun und Frankfurt a. M. 2002. (Ostwalds Klassiker der Exakten Wissenschaften, Bd. 287) 233 S., 2. überarb. Aufl., kart.,  E. ISBN 3-8171-3412-6


In Darstellungen der Kosmologie gehören die Friedmannschen Weltmodelle zu den unverzichtbaren Grundlagen, aber über den Schöpfer dieser Modelle wird fast nichts mitgeteilt. So ist es zu begrüßen, dass Georg Singer den 1922 von Friedmann verfassten Text 'Die Welt als Raum und Zeit', erschienen 1923 in Petrograd, ins Deutsche übersetzt, mit einer Einführung und Kommentaren versehen und deutschen Lesern zugänglich gemacht hat.


Alexander Alexandrovitch Friedmann (1888 bis 1925) war ein vielseitig interessierter und tätiger Wissenschaftler. Er studierte in seiner Geburtsstadt St. Petersburg und arbeitete von 1913 bis zu seinem Tod als Dozent bzw. Professor auf den Gebieten Angewandte Mathematik, Mechanik, Gas- und Flüssigkeits dynamik und Allgemeine Relativitätstheorie; den Schwerpunkt seiner 'offiziellen' Tätigkeit bildete die theoretische Meteorologie.


In seiner Einführung beschreibt Singer Friedmanns wissenschaftlichen Werdegang. Er berichtet, wie die Relativitätstheorie durch den russischen Physiker W. K. Frederix, der von 1910 bis 1918 als Postdoktorand in Göttingen arbeitete und dem Kreis um David Hilbert angehörte, nach Petrograd gelangte, wo sich Friedmann ab 1920 'nebenbei' im Kontakt mit Frederix in die Allgemeine Relativitätstheorie einarbeitete, motiviert durch die Aussicht auf eine umfassende, zugleich axiomatisch aufgebaute und experimentell fundierte Feldtheorie aller physikalischen Erscheinungen, wie sie Mie, Einstein, Hilbert und Weyl vorschwebte.

Der Text 'Die Welt als Raum und Zeit' enthält zwar nur wenige Formeln, aber Friedmann stellt klar und systematisch, weitgehend ohne Bezug zur historischen Entwicklung dar, wie man zur Weylschen und als deren Spezialfall zur Riemann-Einstein-Minkowskischen Raumzeitgeometrie gelangen könnte. Dabei ist er bestrebt, rein mathematische Begriffsbildungen von physikalischen Interpretationen zu unterscheiden, seinem erkenntnistheoretischen Interesse entsprechend. Der Schritt von der 'alten' zur 'neuen' Mechanik wird durch den Übergang vom Trägheitsgesetz zum Geodätengesetz vollzogen. Die Feldgleichungen, von Friedmann 'Weltgleichungen' genannt, werden nur qualitativ beschrieben. Gegen Schluss seines Buches beschreibt Friedmann sein ureigenes Produkt, die homogen-isotropen, von druckfreier Materie erfüllten sphärischen Weltmodelle mit und ohne kosmologisches Glied und deren Klassifikation. Er weist darauf hin, dass eine Prüfung dieser Modelle mangels astronomischer Daten vorerst nicht möglich sei und fährt fort: 'Wenn man, der Kuriosität halber, dennoch daran geht, ... das Weltalter zu ermitteln, so stößt man auf Werte von einigen 10 Milliarden Jahren.' Nicht schlecht geraten, jetzt (2003) werden 13,7 Milliarden Jahre angegeben.

Für alle an der Geschichte der Kosmologie Interessierten bietet dies Buch eine anregende Lektüre.
Prof. Dr. Jürgen Ehlers, Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Golm


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