Die zehn schönsten Experimente der Welt
Johnson, G.
Holz besteht aus Phlogiston und Asche. Verbrennt es, so entweicht das Phlogiston und die Asche bleibt zurück. So einfach war die Welt vor 300 Jahren. Antoine-Laurent Lavoisier kannte die Phlogiston-Theorie, aber obwohl sich damit die meisten Verbrennungsvorgänge wunderbar erklären ließen, gab er sich nicht mit ihr zufrieden. Und nach einigen Forschungsarbeiten kam er auf das entscheidende Experiment, das laut George Johnson zu den „zehn schönsten Experimenten der Welt“ gehört: Er verbrannte Quecksilber, reduzierte es wieder und zeigte, dass er damit Luft zerlegt und wieder zusammengesetzt hatte. Damit bewies er nicht nur, dass es kein Phlogiston gab, sondern begründete auch das Gesetz der Massenerhaltung in der Chemie.
Neun weitere solcher Experimente stellt uns Johnson vor. Dazu gehören die Zerlegung weißen Lichts in seine Spektralfarben durch Newton, Galvanis Froschschenkelexperimente, Michelsons Interferometer und Pawlows Untersuchung von Hundereflexen. Was unterscheidet diese Experimente von anderen, „weniger schönen“? Sie alle betreffen grundlegende, klar formulierte Fragen, die Forscher an die Welt stellen, und von denen sie so lange nicht ablassen, bis sie beantwortet sind. Es geht hier nicht um zufällige Entdeckungen, wie bei Thales, der an Bernstein rieb und feststellte, dass dieser plötzlich Spreu anzog. Es geht um geduldiges Arbeiten, um den Mut, Altbekanntes zu überdenken und um brillante Gedankengänge. Dazu kommt ein eleganter, überschaubarer Versuchsaufbau, der die Aussage des Experimentes eindeutig demonstriert.
Johnsons Buch kramt aber nicht nur Fakten zusammen. Zahlreiche Anekdoten und geschichtliche Eindrücke erwecken die Si-tuation des Forschers zum Leben. Und dies ist mehr als dekoratives Beiwerk. Es gibt einen Eindruck davon, was Experimentieren für die Wissenschaftler bedeutete. So kann man Newton förmlich vor sich sehen, wie er mit einem Stäbchen von hinten auf seinen Augapfel drückt und fasziniert die entstandenen konzentrischen Ringe betrachtet. Man denkt darüber nach, dass Galilei natürlich noch keine Armbanduhr hatte und fragt sich, ob er wohl wirklich einen Marsch sang, als er die Beschleunigung einer Kugel auf der schiefen Ebene bestimmte. Und man freut sich für Faraday, der voller Begeisterung schrieb: „Nichts ist zu wunderbar, um wahr zu sein, wenn es mit den Gesetzen der Natur übereinstimmt.“
Eine exotische Würze erhalten Johnsons Geschichten dadurch, dass er auch die vorhergehenden Theorien vorstellt, die zu überwinden waren. Zu Joules Zeiten vermutete man, dass Wärme als unsichtbares Fluidum, als so genannte kalorische Substanz, durch die Dinge floss und nicht neu entstehen oder vergehen konnte. Damit verglichen bekommt Joules Postulat der Energie-erhaltung, das die Umwandlung anderer Energie¬formen in Wärme beinhaltet, ein besonderes Gewicht. Und Galileis schiefe Ebene zeugt von mehr gedanklicher Rebellion, wenn man weiß, dass die damals anerkannte Aristotelische Theorie z. B. besagte, dass Dinge mit einer Geschwindigkeit proportional zu ihrer Masse fielen. Mit einem Augenzwinkern stellt Johnson Theorien vor wie die von Symmer, der das Gesetz postulierte, weiße und schwarze Socken würden sich anziehen – eine Erkenntnis, die ihm kam, als er die weißen Seidenstrümpfe, die er über den schwarzen Wollsocken trug, auszog.
Johnsons Buch macht eindrucksvoll bewusst, dass physikalische Aussagen, die für uns selbstverständlich sind, erst einmal gefunden werden mussten. Und dass dafür oft eine gehörige Anstrengung nötig war.
Hannah Tomczyk
G. Johnson: Die zehn schönsten Experimente der Welt
Beck 2009, 207 S., geb., ISBN 9783406590962