11.11.2014

Econophysics & Physical Economics / Essentials of Econophysics Modelling

P. Richmond et al.: Econophysics & Physical Economics und F. Slanina: Essentials of Econophysics Modelling

P. Richmond et al. und F. Slanina

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Auch wenn diese beiden bei Oxford University Press 2013 bzw. 2014 erschienenen Bücher die Ökonophysik zum Thema haben, zeigt sich schon beim Blick in die Inhaltsverzeichnisse, dass es sich um zwei grundsätzlich verschiedene Werke handelt.

„Econophysics & Physical Economics“ von Peter Richmond, Jürgen Mimkes und Stefan Hutzler ist mit 243 Seiten deutlich kürzer gefasst und stellt einen Einführungskurs dar. Die in den Kapiteln 1 bis 12 behandelten Themen Brownsche Bewegung von Börsenkursen, Optionspreistheorie, Risikoanalyse und Börsenkräche entsprechen genau dem, was man in einer einsemestrigen Vorlesung zur Ökonophysik erwarten darf. Die Darstellung ist ausreichend fundamental und klar, um auch interessierte Physikstudierende, die nicht mit Wirtschaftsthemen vertraut sind, die Materie verständlich zu machen. Die traditionelle Fokussierung der Ökonophysik auf Finanzmärkte möchten die Autoren im Folgenden anscheinend überwinden. Die im 13. Kapitel vorgestellten Beispiele von Fußball­wetten und Hauspreisen unterscheiden sich aber nur unwesentlich von Finanzmärkten und werden konsequenterweise auch nur qualitativ beschrieben.

Ab dem 14. Kapitel holen die Autoren aber unter dem Stichwort „Physikalische Ökonomie“ zum großen Schlag aus und versuchen, die Makroökonomie auf physikalische Prinzipien in Analogie zu den Hauptsätzen der Thermodynamik zu gründen. Um es gleich zu sagen: Ich halte diesen Versuch für fehlgeschlagen. Zwar findet man die beschriebenen Gesetzmäßigkeiten über ökonomische Kreisläufe auch in den gängigen Lehrbüchern der Volkswirtschaftslehre. Dort werden aber die zugrundeliegenden Annahmen, wie marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung, staatlich garantierte Geldpolitik und Modell­bildungen, genannt und nicht als quasi naturwissenschaftlich fundiert dargestellt. Daher würde ich eher von einer Lektüre der Kapitel 14 bis 20 abraten und empfehlen, stattdessen zu einem Standardlehrbuch wie „Makroökonomik und Neue Makroökonomik“ von Bernhard Felderer und Stefan Homburg zu greifen. Trotzdem sei „Econophysics & Physical Economics“ wegen der Kapitel 1 bis 13 jedem an der Ökonophysik interessierten Physikstudenten und Dozenten zum Einstieg in das Gebiet wärmstens empfohlen.

„Essentials of Econophysics Modelling“ von František Slanina gehört dagegen in eine ganz andere Klasse von Lehrbüchern. Es ist eher etwas für Leser, die sich intensiv mit Ökonophysik beschäftigen wollen und sich mehr für die theoretische Modellbildung interessieren als für Anwendungen auf konkrete wirtschaftliche Probleme.

Ausgehend von der empirischen Ökonophysik, die sich mit der statistischen Beschreibung von Preisfluktuationen und deren Korrelationen beschäftigt, werden neben den klassischen Random-Walk-Modellen, die auch im Buch von P. Richmond et al. vorkommen, weitergehende stochastische Modelle auf anspruchsvollem Niveau behandelt. Dazu zählen Volatilitäts- und Orderbuchmodelle sowie agentenbasierte, spieltheoretische und Netzwerk-Modelle.

Das hohe Niveau der mathematischen Darstellung und der Mangel an „klassischen“ Anwendungsbeispielen machen das Buch aber für den Einsteiger fast ungeeignet. So wird beispielsweise das Black-Scholes-Modell zur Optionspreisfindung nicht vollständig behandelt. Es böte sich aber nicht nur als Standardbeispiel an, sondern ist auch ein wunderbares Beispiel für die Beschränktheit des einfachen Random-Walk-Modells, das nämlich zu einigen Pleiten führte. Stattdessen wird nur auf die finanztheo­retische Literatur verwiesen, die Physikern im Allgemeinen nicht zur Verfügung steht. Denjenigen aber, die sich schon länger mit der theoretischen Ökonophysik beschäftigen, bietet Slanina ein hervorragendes Kompendium. Er vergisst dabei nicht, dass sich das weite und wachsende Feld der Ökonophysik auf 410 Seiten nicht erschöpfend behandeln lässt, und gibt daher am Ende jedes Kapitels wertvolle Hinweise auf alternative Ansätze und weiterführende Literatur. Allein die über 1800 Referenzen sprechen hier für sich. Zusammenfassend hat „Essentials of Econophysics Modelling“ meiner Meinung nach das Zeug dazu, ein Standardwerk der Econophysics zu werden, auf das viele gewartet haben.

PD Dr. Wichard J.D. Beenken, TU Ilmenau

P. Richmond et al.: Econophysics & Physical Economics, Oxford University Press, Oxford 2013, 243 S., geb., 45 Pfund, ISBN 9780199674701

F. Slanina: Essentials of Econophysics Modelling, Oxford University Press, Oxford 2014, 432 S., geb., 45 Pfund, ISBN 9780199299683

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