30.06.2006

Einsteins Spuk

Anton Zeilinger, Einsteins Spuk, C. Bertelsmann, München 2005, 352 S., geb., ISBN 3570006913

Zeilinger

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Das Buch ist besser als sein Titel und bietet eine Popularisierung der Quantenmechanik ohne Formeln für Leser ohne Vorwissen. Inhaltlich deckt das Buch folgende Themen ab: Wesen des Lichts, Welle-Teilchen-Dualismus, Doppelspalt, Unschärfe, Verschränkung, EPR, die Verletzung Bellscher Ungleichungen und natürlich die Quantenteleportation. Auf deren Grundidee und experimenteller Realisierung liegt der Schwerpunkt des Buches, die Erklärung der Experimente des Autors und seiner Arbeitsgruppe an der Universität Wien bildet dabei eine Art Rahmenhandlung.

Der Autor spielt gekonnt auf der Klaviatur der Motivation. Er nimmt den unbedarften Leser gleichsam beim Laborrundgang an der Hand. Zur spannenden Dramaturgie des Buches gehören romanhafte Einlagen, in denen die Studenten Alice und Bob das Verhalten verschränkter Photonenpaare kennenlernen. Die Bell-Wigner-Ungleichung wird durch Größe, Haar- und Augenfarbe von (klassischen) Zwillingen veranschaulicht, eingebaut in einen Artikel des väterlich um seine Studenten bemühten Prof. Quantinger. 52 Skizzen und 16 Fotos bieten ausreichende und klare Illustrationen. Wir begegnen Boltzmanns Tafel, Bertlmanns Socken und Schrödingers Grab. Wir sehen Fotos von Forscherteams und Versuchsanordnungen. Auch kleine Anekdoten und treffende Aussprüche von Kollegen fehlen nicht.

Zeilinger, im Klappentext als „Popstar unter den Naturwissenschaftlern“ bezeichnet, präsentiert sich als Global Player der Experimentalphysik, der den Lesern zum Schluss auch typische an ihn via EMail gerichtete Fragen („FAQs“) und deren Beantwortung nicht vorenthält. Wer derlei Anleihen bei amerikanischer Direktheit aufdringlich findet, mag bedenken, wie schwer die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit auf Fragen der Grundlagenforschung zu lenken ist.

Die Übertragung aus dem Englischen ist recht gut gelungen. Noch besser wäre es dem Buch freilich bekommen, wenn der Autor die deutsche Formulierung gleich selbst besorgt hätte. Bei aller Begeisterungsabsicht wären dann etwa die zwei Qubits bei der dichten Codierung wohl nicht in einem „einzigartigen“, sondern in einem eindeutigen verschränkten Zustand. Wie die über 30 Setz- und Druckfehler zeigen, gehört gründliches Korrekturlesen offenbar nicht zur Verlagskultur von Bertelsmann (lustig: „Plank'sches Wirtschaftsquantum“ statt „Planck'sches Wirkungsquantum“ auf S. 54).

Hervorzuheben ist die Deutlichkeit, mit der Zeilinger einige falsche Vorstellungen und überspannte Erwartungen zurechtrückt, vor allem beim Thema Teleportation (wird nie ein Reisemittel), aber auch beim Thema Messung (auf die Apparatur kommt es an, nicht auf den Beobachter). Kritisch anzumerken sind jedoch Formulierungen, die instantane physikalische Wirkungen auf verschränkte Partner behaupten, zumal im selben Buch ausdrücklich diskutiert wird, dass das Aufgeben der Lokalität nicht die einzig mögliche Konsequenz aus der Verletzung Bellscher Ungleichungen ist.

Zeilingers Heuristik zum Verständnis der Quantenwelt besteht am Ende darin, dass man die Konzepte Wirklichkeit und Information „nicht voneinander trennen“ dürfe. Die realistische Grundfrage „Information worüber?“ wird somit nicht mehr gestellt. Die Uneinigkeit über ihre Beantwortung spiegelt die ganze Interpretationsdebatte wider und könnte ein weiteres Buch füllen. Titelvorschlag: Einsteins Rache.

Dipl.-Phys. Helmut Fink,
Insitut. für Theoretische Physik I, Universität Erlangen-Nürnberg

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