18.09.2003

Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften missbrauchten

Sokal, Bricmont

Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften missbrauchten

Von A. Sokal u. J. Bricmont.
C. H. Beck, München 1999. 350 S., paperback,DM 39,80.
ISBN 3-406-45274-4

Der Physiker Alan Sokal wurde 1996 durch einen parodistischen Artikel weltbekannt, in dem er bestimmte Tendenzen der Kulturwissenschaften durch den Kakao zog; peinlicherweise wurde der Artikel von einer namhaften Zeitschrift als ernsthafter Beitrag angenommen und veröffentlicht. Eleganter Unsinn, verfasst mit Jean Bricmont, behandelt das gleiche Thema, aber in nüchternem Stil.

Im Mittelpunkt von Sokals und Bricmonts Kritik stehen einige der postmodernen Philosophie zugerechnete Texte überwiegend frankophoner Provenienz, z.B. von Baudrillard, Deleuze, Lacan, Latour, Irigaray oder Kristeva. Das Ziel der Kritik sind die Versuche dieser Autorinnen und Autoren, mathematische und physikalische Begriffe und Theorien in die Kulturwissenschaften zu übertragen. Sokal und Bricmont zeigen, dass alle diese Versuche als gescheitert gelten müssen, weil es keinem der kritisierten Autoren gelungen ist, die Relevanz der herbeigezogenen naturwissenschaftlichen Begriffe und Theorieelemente für die bearbeiteten kulturwissenschaftlichen Fragestellungen aufzuweisen. Markante Beispiele sind Lacans Übertragung topologischer Theorien in die Psychologie, Kristevas Verwendung der Theorie unendlicher Mengen in ihrer Analyse poetischer Sprachen, sowie Deleuze und Guattaris assoziativer Umgang mit der Relativitätstheorie, der Quantenmechanik und der Chaostheorie in ihrem Bestseller »Was ist Philosophie?«.

Darüber hinaus zeigen Sokal und Bricmont, dass die postmodernen Denker die naturwissenschaftlichen Theorien, mit denen sie hantieren, nur sehr oberflächlich oder sogar völlig falsch verstanden haben. Einige der von den beiden Physikern zusammengesuchten Textstellen sind an Absurdität nur schwer zu überbieten. Sokal und Bricmont sind außerdem bemüht, auf eine auch für Nichtphysiker verständliche Art zu erklären, warum die kritisierten Textstellen unsinnig sind.

Insgesamt etwas weniger gelungen erscheint uns dagegen das Intermezzo-Kapitel über den epistemischen Relativismus in der Wissenschaftstheorie. Nicht, dass es nicht auch in diesem Bereich viele Unklarheiten und auch Unsinn gibt, auf den man mit Fingern zeigen kann. Aber Sokal und Bricmont behandeln (bewusst) nur extremere Formen des Relativismus, sodass die eigentlich interessanten und aus guten Gründen kontroversen Fragen dieser Debatte gar nicht ins Blickfeld kommen. Zudem können sie hier nicht einfach ihre fachliche Autorität ausspielen; vielmehr beteiligen sie sich wie andere auch an der philosophischen Diskussion, mit allen Schwierigkeiten, die das mit sich bringt. Aber es ist dennoch erfreulich, dass hier Physiker diese Diskussion suchen und auf beachtlichem Niveau führen können.
Prof. Dr. Paul Hoyningen-Huene und Dr. Marcel Weber, Zentrale Einrichtung für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsethik, Universität Hannover

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