27.02.2024

Filmkritik: Oppenheimer – Science, Mission, Legacy

Oppenheimer: Science, Mission, Legacy,­ Los Alamos National Laboratory, USA 2023, 3 Teile, ca. 90 Min.

Los Alamos National Laboratory

Das 1943 als „Project Y“ in New Mexico gegründete Los Alamos National Laboratory (LANL) zählt mit über 12 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu den größten Forschungseinrichtungen der Welt. Bis heute bestimmt Militärforschung die Arbeit des Großlabors. Neben Neuentwicklungen und Verbesserungen bestehender Kernwaffen stehen vor allem komplexe Computersimulationen von Nukleartests im Fokus.

Die von Alan Carr, dem leitenden Historiker des LANL moderierte Dokumentation besteht vor allem aus Interviews mit jetzigen oder ehemaligen führenden Wissenschaftlern des LANL. Doch es sind die kenntnisreichen Beiträge der Oppenheimer-Biographen Jim Kunetka und Kai Bird, welche die Dokumentation tragen.1)

Der erste Teil widmet sich Oppenheimers wissenschaftlichem Werdegang. Oppenheimer wirkte auf viele Mitschüler und Kommilitonen arrogant und sozial unbeholfen. Bird erzählt, dass der Zehnjährige in der Schule zu einem Mädchen sagte: „Frag mich etwas auf Latein und ich antworte dir auf Griechisch.“ In den 1930er-Jahren war er maßgeblich daran beteiligt, die moderne theoretische Physik in den USA zu etablieren. Die Behauptung, die USA seien zu Beginn des Zweiten Weltkrieges „das Zentrum der theoretischen Physik in der Welt“ gewesen, ist allerdings übertrieben.

Im zweiten Teil geht es um seinen Führungsstil und die technischen, organisatorischen und logistischen Herausforderungen beim Bau der Bombe. Leslie Groves hatte schnell erkannt, dass Oppenheimer genau der Richtige war, um dieses Großprojekt wissenschaftlich zu leiten. Er kannte die meis­ten Wissenschaftler persönlich und besaß die Fähigkeit, hochkomplexe Gedankengänge auf verschiedenen Fachgebieten blitzschnell zu erfassen, zusammenzuführen und mit einer zielführenden Synthese aufzuwarten, der am Ende alle zustimmen konnten. Darüber hin­aus war er geduldig und besaß ein psychologisches Gespür, das besonders bei seinen wissenschaft­lichen „Alphatieren“ hilfreich war.

Lobenswert ist, dass den beiden abgeworfenen Atombomben nur ­eine „wichtige [und nicht die alles entscheidende] Rolle“ bei der Kapitulation Japans zugeschrieben und der Eintritt der Sowjetunion in den Krieg gegen Japan am 8. August 1945 nicht verschwiegen wird, auch wenn darauf nicht weiter eingegangen wird.

Einige Äußerungen im Film sind allerdings überzogen oder falsch. So etwa, dass die ersten beiden Atombomben keine Abschreckungswaffen gewesen seien und dass das Apollo-Programm „eines der größten Vermächtnisse Oppenheimers“ sei und seinen Ursprung in Los Alamos habe. Auch die Behauptung, dass bis 1945 etwa 15 Prozent der Bevölkerung eines kriegsführenden Landes entweder direkt oder indirekt (z. B. durch Hunger) ums Leben gekommen seien, nach Hiroshima aber nur noch halb so viele, ist nicht richtig.

Im dritten Teil geht es um Oppenheimers Vermächtnis und die emotio­nalen Spuren, die seine Berühmtheit und die Sicherheitsanhörungen von 1954 bei ihm hinterlassen haben. Mit Kriegsende wurde er zunächst mit einem Schlag zum „All American Hero“. Als 1950 die Wasserstoffbombe gebaut werden sollte, machte er sich mächtige Feinde, weil er deren Notwendigkeit anzweifelte. Leider erwähnt der Film nicht, dass es eben nicht moralische Bedenken gegenüber Atomwaffen im Allgemeinen waren, die bei Politikern und Militärs auf Ablehnung trafen, sondern seine Infragestellung der städteauslöschenden „More bang for the buck“-Nuklearstrategie zugunsten eines flexibleren Einsatzes von Kernwaffen vor allem als taktische Gefechtsfeldwaffen. Oppen­heimers letzter Besuch in Los Alamos 1964 und seine Rehabilitierung 2022 durch das Energieminis­terium stehen am Ende des Films.

Auch wenn die Dokumentation an einigen Stellen wie ein Werbefilm für Los Alamos wirkt, ist der Film sehenswert. Er richtet sich an ein interessiertes Laienpublikum, ist verständlich und ansprechend gestaltet, und die Redebeiträge sind oft mit historischen Fotos oder Filmclips hinterlegt.

Dr. Michael Schaaf, Deutsche Internationale Schule Kapstadt
Alexander Pawlak

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