Financial Market Complexity
Johnson, Jefferies, Hui
N. F. Johnson, P. Jefferies, P. M. Hui: Financial Market Complexity
Oxford University Press, Oxford 2003. 264 Seiten, Geb., ISBN 0-19-852665-2
Finanzmärkte als einen Prototyp für komplexe Systeme zu beschreiben - kann das funktionieren? Die Autoren stellen diese neue Perspektive auf überzeugende Weise vor und verwenden dabei den Begriff des komplexen Systems nicht nur als Schlagwort, sondern definieren ihn detailliert und stellen die Anwendbarkeit dieser Definition auf das Börsengeschehen dar. Die empirischen Besonderheiten von Finanzmarktdaten werden durch Modelle mit heterogenen Agenten reproduziert, und die Anwendung der Theorie auf das praktische Problem der Optionspreisberechnung wird diskutiert.
Zunächst begründen die Autoren anhand einer Beschreibung der Struktur typischer Finanzmärkte, warum diese die Kriterien komplexer Systeme erfüllen. Im zweiten Kapitel stellen sie die Beschreibung von Kurszeitreihen durch geometrische Brownsche Bewegung vor, die sie als "standard finance theory" bezeichnen und in den folgenden Kapiteln kritisieren. Anhand der Analyse zweier empirischer Datensätze werden schwere Ränder der Wahrscheinlichkeitsverteilung und zeitliche Korrelationen in der Marktaktivität als zwei charakteristische Eigenschaften von Finanzmarktdaten vorgestellt. Die Erklärung dieser Eigenschaften durch agentenbasierte Modelle von Finanzmärkten (Kap. 4 und 5) steht im Zentrum des Buchs. Den Abschluss bildet eine Diskussion der Optionspreistheorie sowie des möglichen Zusammenhangs von deterministischem Chaos und Kurseinbrüchen (Crashs) an Finanzmärkten.
Die ausführliche und anschauliche Beschreibung von agentenbasierten Modellen ist gut gelungen. Als Prototyp eines Modells mit globaler Wechselwirkung zwischen Agenten dient das "minority game", in dem ein Agent gewinnt, wenn er sich der Entscheidung der Minderheit anschließt. Ebenso wird diskutiert, wie sich die Maximierung des Gewinns über einen längeren Zeitraum auswirkt. Als Beispiel für Modelle mit direkter Wechselwirkung werden das Cont-Bochaud-Modell und verschiedene Verallgemeinerungen diskutiert, in denen Händler sich zu Gruppen zusammenschließen, die dieselbe Strategie verfolgen.
Das Niveau der Diskussion sollte für Studenten nach dem Vordiplom angemessen sein. Eine anschauliche Argumentationsweise vermeidet unnötig lange Rechnungen und arbeitet dern Kern einer Idee gut heraus. Allerdings ist anzumerken, dass die Gleichsetzung von "standard finance theory" mit "Beschreibung durch Brownsche Bewegung" verkürzend ist. Außerdem ist die Darstellung empirischer Ergebnisse unvollständig (z. B. keine Diskussion von Potenzverhalten in den Rändern der Wahrscheinlichkeitsverteilung), und einige Kernannahmen werden nicht hinreichend begründet (etwa die Betrachtung des reduzierten anstelle des vollständigen Strategieraums).
Insgesamt zeichnet sich das Buch durch seine lebendige und inspirierende Darstellungsweise aus. In Kombination mit dem großen Spektrum behandelter Themen machen diese Eigenschaften das Buch zu einem empfehlenswerten Lehrbuch.
Priv.-Doz. Dr. Bernd Rosenow, Institut für Theoretische Physik, Universität zu Köln
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