25.05.2021

Foundations of Quantum Cosmology

Martin Bojowald: Foundations of Quantum Cosmology, Institute of ­Physics Publishing, geb., 348 S., 133,61 €, ISBN 9780750324588

Martin Bojowald

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Unter Quantenkosmologie versteht man die Anwendung der Quantentheorie auf das Universum als Ganzes. Das mag auf den ersten Blick überraschen, gilt die Quantentheorie doch als zuständig für die Welt der Atome, Kerne und Elementarteilchen. In Arbeiten zur Kosmologie spielen Quanteneffekte gelegentlich eine Rolle, etwa­ bei Teilchenprozessen im frühen Universum. Doch die globale Struktur von Raum und Zeit wird gemeinhin als klassisch angenommen und zumeist durch Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie (ART) beschrieben.

Geht man aber von der Universalität der Quantentheorie aus, ergibt sich eine andere Sichtweise. Quantensysteme sind üblicherweise an Freiheitsgrade ihrer Umgebung gekoppelt und werden dadurch mit diesen verschränkt. Das gilt auch für die Umgebung der Umgebung und endet erst mit dem Universum als einzig streng abgeschlossenem System. Aus dieser Perspektive ist es umgekehrt überraschend, dass sich das Universum so vorbildlich klassisch verhält. Allerdings wissen wir seit geraumer Zeit, warum dies auf makroskopische Systeme zutrifft – es liegt am irreversiblen Prozess der Dekohärenz, dem Haupthindernis bei der Konstruktion leistungsfähiger Quantencomputer.

In der vorliegenden Monographie behandelt Martin Bojowald die formalen und begrifflichen Grundlagen der Quantenkosmologie. Da auf kosmischen Skalen die Gravitation dominiert, ist hierfür eine Theorie der Quantengravitation heranzuziehen – eine Theorie, die es in abgeschlossener und allgemein akzeptierter Form bisher nicht gibt.

Die ersten beiden Kapitel sind den klassischen Aspekten der Kosmologie gewidmet. Das sind zunächst naturgemäß die Gleichungen von Friedmann und Lemaître, aus denen sich Aussagen über die zeitliche Entwicklung eines homogenen und isotropen Universums gewinnen lassen; es werden aber auch anisotrope und sphärisch-symmetrische Räume behandelt. Danach stellt der Autor das Prinzip der Kovarianz als Leitprinzip für die Formulierung von Gravita­tionstheorien vor, wobei außer der ART beispielsweise auch f(R)-Theorien und die damit verwandten Skalar-Tensor-Theorien diskutiert werden. Quantenmechanik findet Einlass im dritten Kapitel und wird im zentralen vierten Kapitel auf die Kosmologie angewandt. Bojowald diskutiert wichtige Aspekte der Quantenkosmologie, wie das Problem der Zeit (die Abwesenheit eines äußeren Zeitparameters in den Grundgleichungen) oder die Möglichkeit, die von der ART vorhergesagten Singu­laritäten zu vermeiden. Letzteres lässt sich zum Beispiel durch konsis­tenten Einsatz von Bryce DeWitts Forderung nach Wellenfunktionen versuchen, die in den Gebieten der klassischen Singularitäten (etwa beim Ur- und Endknall) verschwinden. Der Quanten­kosmologie inhomogener Raumzeiten ist das abschließende sechste Kapitel gewidmet. Nur in diesem Rahmen ist die Entstehung von Strukturen im Universum zu verstehen. Bedauerlich ist, dass dem Band ein Register fehlt.

Im Vorwort findet sich der etwas enttäuschende Satz: „This book does not present a single physical prediction of quantum cosmology.“ Es ist richtig, dass dieses Gebiet bisher nicht mit Beobachtungen gesegnet ist, doch lassen sich durchaus Effekte berechnen, die zumindest prinzipiell beobachtbar sind, etwa im Anisotropiespektrum der Kosmischen Hintergrundstrahlung, ganz abgesehen von begrifflichen Konsequenzen wie der Begründung des Zeitpfeils.

Vor etwa zwanzig Jahren hat der Autor das Gebiet der „Loop Quantum Cosmology“ („Schleifenquantenkosmologie“) begründet, die Anwendung der im fünften Kapitel skizzierten Theorie der „Loop Quantum Gravity“ („Schleifenquantengravitation“) auf die Kosmologie. Das ist in dem vorliegenden Band zu spüren, wenngleich der Rahmen hier sehr viel weiter gesteckt ist und auch der Blick auf die Schleifenkosmologie ein anderer – und sehr viel kritischerer – ist als in den früheren Arbeiten. Mit einigen Vorkenntnissen kann man der sehr klaren Darstellung gut folgen und an den Einsichten des Autors auf diesem spannenden, aber bei weitem nicht abgeschlossenen Gebiet teilnehmen.

Prof. Dr. Claus Kiefer,  
Universität zu Köln


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