28.11.2005

Gödel, Einstein und die Folgen.

Yourgrau

Unter den Geistesgrößen des vergangenen Jahrhunderts waren Gödel und Einstein zwei der herausragendsten. Es scheint, als wären sie so über ihre damaligen Zeitgenossen hinausgewachsen, dass sie in Princeton buchstäblich nur noch sich selber hatten. Tagtäglich konnte man diese beiden Freunde zusammen nach Hause trotten sehen ¿ der eine schlampig angezogen und mit verlotterten Haaren, der andere auch im tiefsten Sommer mit Handschuhen in einen dicken Pelzmantel gehüllt. Einen lebendigen Einblick in die Beziehung zwischen diesen beiden Gestalten, die unsere Weltsicht so drastisch veränderten, liefert der Philosoph Palle Yourgrau mit diesem sehr subjektiven und rhetorisch sehr gut geschriebenen Buch.

Denn Yourgrau erzählt nicht nur Anekdoten. Im Zentrum seines Berichts steht die Arbeit Gödels. Mit lockerer Hand erläutert er die beiden Unvollständigkeitssätze und deren philosophische Implikationen. Wie also lässt sich Wahrheit und Beweisbarkeit trennen? Und kann man dies trennen? Yourgrau ist darauf bedacht, seine Ausführungen immer auch für Laien verständlich zu halten.

Höhepunkt des Buches bildet die Metamorphose, die Gödel durchläuft. Yourgrau arbeitet die verblüffenden Unterschiede zwischen Gödels beiden großen Beiträgen heraus. Denn bei seiner Analyse von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie und der Untersuchung rotierender Universen schlägt Gödel eine gänzlich andere Richtung ein als in jungen Jahren bei seinen Beiträgen zu den logischen Grundlagen der Mathematik. "ödel war in Bezug auf die Mathematik Realist und gleichzeitig hinsichtlich der Zeit Idealist" (S. 161). Dies hat Konsequenzen. "Doch die Realität als solche ist absolut", schreibt Yourgrau, und: "Wir können eine Welt haben, in der es eine Zeit gibt, oder eine Welt, in der es eine Existenz gibt - aber nicht beides. Gödel traf die einzig vernünftige Entscheidung und entschied sich für eine Welt ohne Zeit" (S. 156).

Diesen Aspekt der späteren Gödelschen Arbeiten erläutert Yourgrau eingehend philosophisch, hinterfragt ihn aber nicht physikalisch. Denn existiert die Existenz tatsächlich so uneingeschränkt und absolut, wie dies der Verfasser postuliert?

Die moderne Physik kennt Dinge, die nicht eindeutig, sondern nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit existieren. Der ältere Gödel jedoch befasst sich mit dem ontologischen Gottesbeweis und verknüpft seine Argumentation hinsichtlich der Nicht-Existenz der Zeit mit einem ähnlichen Argumentationsschema. Dieses Vorgehen ist nicht nur unter Physikern umstritten - und so schildert Palle Yourgrau abschließend die Auseinandersetzung über diese Problematik mit seinen Fachkollegen.

Zwar ist die Schilderung dieses Grabenkampfes etwas lang geraten. Insgesamt ist dieses Buch jedoch äußerst lesenswert und bietet einen Blick aus einer gänzlich ungewohnten Perspektive auf Einstein und Gödel.


Martin Erik Horn, Landesinstitut für Schule und Medien, Ludwigsfelde


Weitere Infos:

P. Yourgrau: Gödel, Einstein und die Folgen. Vermächtnis einer ungewöhnlichen Freundschaft
C. H. Beck, München 2005, 235 S., geb.,
ISBN 3-406-52914-3

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