Heisenberg in the Atomic Age
Carson, C.
Cathryn Carsons Buch ist keine Biografie Heisenbergs in den Nachkriegsjahren, sondern analysiert anhand von Heisenbergs Leben, wie sich Wissenschaft eine Öffentlichkeit geschaffen hat und wie sie von Politik und Kultur wahrgenommen wurde.
Heisenberg, als einer der bekanntesten Physiker der damaligen Zeit, ist in dieser Hinsicht ein dankenswertes Studienobjekt. Beispielhaft sei hier nur genannt sein wissenschaftspolitisches Engagement in und für Deutschland, seine Kollaboration und Konfrontation mit dem politischen Establishment und schließlich auch mit Kollegen aus der Gemeinschaft der Physiker, seine Verstrickungen im Dritten Reich und sein gescheitertes Weltformelprojekt.
Das öffentliche Bild von Wissenschaft und Technik war nach dem Zweiten Weltkrieg im Wandel begriffen und damit auch die Art und Weise, wie Wissenschaftler auf diese Strömungen reagierten. In den 60er-Jahren wurden kritische Stimmen von Links bis Rechts laut, die übereinstimmend das technische Denken sowohl für den Holocaust als auch für die Atombombe verantwortlich machten. Man denke hier an Heideggers Technikphilosophie und Adornos Ablehnung von Wissenschaft und Technik als „instrumentelle Vernunft“. In dieser sich ändernden öffentlichen Meinung von Technik und Wissenschaft steht Heisenberg als Mittler, der trotz allem für den Nutzen von Wissenschaft und Technik für die Menschheit eintritt. Sein Glaube an eine zentrale Ordnung der Dinge, sein bildungsbürgerlicher Bezug zu Goethe und Plato ermöglichen es ihm, sich in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen und gleichzeitig das öffentliche Bild der Physik zu prägen. Jedoch seine Rolle im Dritten Reich, sein Besuch bei Niels Bohr im besetzten Dänemark, die Farm Hall-Protokolle, der Wirbel um die „Weltformel“, all das trug zu einer zunehmend kritischeren Wahrnehmung bei. Heisenberg, wie der Philosoph Habermas, wollten öffentliche Meinungsbildung auf wissenschaftlichem, d. h. vernünftigem Denken gründen. Dass dies ein Ideal ist, hat Heisenberg insbesondere durch die Diskussion um die Göttinger Erklärung erfahren müssen. Nicht umsonst ziert das Cover Franz-Josef Strauß, der damalige Verteidigungsminister.
Cathryn Carsons Buch ist umfangreich, gespickt mit Fußnoten und Zitaten, akribisch recherchiert. Aufgrund der Menge an Fakten, an philosophischen, soziologischen und politischen Ausflügen, fällt es einem nicht immer leicht, dem roten Faden zu folgen. Trotz dieser Schwierigkeiten ist das Buch für jeden, der sich für die öffentliche Wahrnehmung und Wirkung von Wissen-schaft in den Gründerjahren der Republik interessiert, eine lohnenswerte Lektüre.
Dr. Matthias Hahn, Karlsruhe
C. Carson: Heisenberg in the Atomic Age - Science and the Public Sphere
Cambridge University Press 2010, geb., 558 S., ISBN 9780521821704