11.06.2014

History of Artificial Cold, Scientific, Technological and Cultural Issues

Kostas Gavroglu: History of Artificial Cold, Scientific, Technological and Cultural Issues, Springer, Heidelberg 2014, 288 S., geb., 106,99 €, ISBN 9789400771987

Kostas Gavroglu

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Dieser Sammelband zeigt auf, wie sich heutige Physik- und Technikgeschichte, aber auch Sozial- und Wirtschafts- sowie Kulturgeschichte dem Thema künstlich erzeugter Kälte nähern. Der griechische Herausgeber Kostas Gavroglu, Spezialist für die Geschichte der Supraleitung, Suprafluidität und Quantenchemie, bietet als Einstieg einen Überblick zur Geschichtsschreibung der künstlichen Kälte, die streng genommen bereits mit den Erfolgen der Chinesen zur Langzeitlagerung von Eis um 1000 v. Chr. beginnt und sich unter anderem mit den Experimenten von Robert Boyle im 17. Jahrhundert fortsetzt (behandelt von Christiana Christopoulou). Aber erst im 19. Jahrhundert mit Experimenten von Faraday an der Royal Institution in London sowie von Wroblewski und Olszewski in Krakau gewinnt die Entwicklung an Schwung. Die experimentellen Strategien von James Dewar zur Verflüssigung von Wasserstoff (1895) sind ebenso Thema (J. S. Rowlinson) wie die zeitgleichen Bemühungen von Carl Linde und Georges Claude zur industriellen Nutzung des Joule-Thomson-Effekts zur Kühlung und Verflüssigung von Gasen unter hohem Druck (H. L. Dienel). Für Physiker am interessantesten dürften die Kapitel sein, die mit dem Beitrag von Dirk van Delft zum Kältelaboratorium von H. Kamerlingh Onnes in Leiden beginnen, wo 1908 erstmals die Heliumverflüssigung und 1911 die Entdeckung der Supraleitung gelang. Deren zufriedenstellende Theoretisierung ließ allerdings noch Jahrzehnte auf sich warten (Joas und Waysand). Im Leidener Cryogenic Laboratory, dem bis 1923 „kältesten Ort der Erde“, wurde ferner zuerst bemerkt, dass sich flüssiges Helium als „Rolling-Film“ an Gefäßwänden langsam aufwärts bewegt. Aber erst im Dezember 1937 war die Entdeckung der Suprafluidität, zeitgleich durch Jack Allen und Don Misener in Cambridge sowie Pjotr Kapitsa in Moskau, abgeschlossen (Balibar). Auch hier ließ eine zufriedenstellende theoretische Erklärung, die dann ferner klar machte, dass dies ein weiterer makroskopisch beobachtbarer Quanteneffekt ist, noch lange auf sich warten.

Leider fehlt ein eigener Beitrag zur Entdeckung der Hochtemperatur-Supraleitung 1986, für die die klassische BCS-Theorie von 1957 versagt und an der sich ähnliche Muster aufzeigen ließen. Sehr interessant ist hingegen ein Kapitel über „The physics of cold in the Cold War“ (Knolle und Joas), in dem es um die Verzahnung neuer Rechentechniken („On-Line Computing“), die eigentlich vom Intercontinental Ballistic Missile Program gefördert worden waren, mit der Modellierung von Festkörpern und der ­Theorie von Supraleitung geht.

Auf fünf weitere Kapitel zur industriellen Nutzung von Kühltechnik und der Veränderung von Konsumentenverhalten durch Tiefkühlkost kann ich hier nicht eingehen. Insgesamt ein interessanter und empfehlenswerter, leider auch nicht billiger Sammelband, der zumindest in keiner Physik-Bibliothek fehlen sollte.

Prof. Dr. Klaus Hentschel, Universität Stuttgart, Historisches Institut, Abt. für Geschichte der Naturwissenschaften und Technik

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