18.09.2003

Internationale Wissenschaft und nationale Kultur Deutsche Physiker in der internationalen Community 1900-1960

Metzler

Internationale Wissenschaft und nationale Kultur Deutsche Physiker in der internationalen Community 1900-1960

Von G. Metzler.
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000. 304 S., kartoniert,
ISBN 3-525-36246-3

Gabriele Metzler hat sich ein spannendes und bisher vernachlässigtes Thema vorgenommen, nämlich das Verhältnis von nationaler Kultur zur Internationalität bei den deutschen Physikern von 1900 bis 1960. Anknüpfend an die Forschungen von Schröder-Gudehus, Crawford, Heilbron u.a. skizziert Metzler die nationalistischen Überlagerungen im "Krieg der Geister" im Ersten Weltkrieg, die "Wissenschaft als Ersatzmacht" in der Weimarer Republik, sodann die Einbindung der Physik in die Politik des Dritten Reiches, schließlich erörtert sie einen neuen Internationalismus in der Nachkriegszeit.

In den besten Teilen des Buches hat die Verfasserin interessante Zusammenhänge zwischen nationaler Kultur, der Arbeitsweise der Wissenschaftler und ihrer internationalen Orientierung aufgezeigt. So sieht sie die eigentlich nationale Charakteristik einer deutschen Physik in ihrer traditionellen Theoriebeladenheit - ganz im Gegensatz zur anti semitischen "deutschen Physik" um die Nobelpreisträger Lenard und Stark. Die deutschen theoretischen Physiker hätten sich jedoch unter dem Druck des Nationalsozialismus pragmatisch umorientiert und mehr anwendungsbezogen gearbeitet - ebenso wie die deutschen Emigranten sich dem amerikanischen Pragmatismus angepasst hätten. Das ist eine plausible These, die man dadurch noch weiter untermauern könnte, dass man den Übergang zur Kernphysik mit ihrer stark experimentellen Ausrichtung berücksichtigt. Die Beziehung zu den inneren Entwicklungsphasen der Physik stellt Metzler für den weiteren Prozess selbst her, wenn sie die "Amerikanisierung von Forschungsstilen" (S. 228) nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Übergang zur Elementarteilchenphysik in Zusammenhang bringt. Diese Großforschung erforderte ein gewaltiges Wissens- und Materialpotenzial, welches nur durch eine internationale Zusammenarbeit gewonnen werden konnte.

Der positive Gesamteindruck der Studie wird leider durch einige z. T. krasse Fehleinschätzungen etwas getrübt. So charakterisiert Metzler die Vertreter der modernen Physik in der Weimarer Republik als unpolitische Bildungsbürger, die sich von ihren kulturnationalen Bezügen nicht hätten lösen können und daher auch nur begrenzt international orientiert gewesen wären. Das mag für viele Physiker zutreffen. Aber gerade für die junge Elite der Quantenphysiker ist diese Einschätzung verfehlt. Sie waren zentral am Aufbau eines internationalen Netzwerks der Atomphysiker um das Kopenhagener Institut von Niels Bohr beteiligt. Dadurch wurde ein Kalter Krieg zwischen den Wissenschaftlern der ehemaligen Feindesländer erfolgreich unterlaufen.
Dr. Werner Eisner, Zentrale Einrichtung für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsethik (ZEWW), Hannover

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