29.01.2014

Léon Rosenfeld

Anja Skaar Jacobsen: Léon Rosenfeld. Physics, ­Philosophy, and Politics in the Twentieth Century, World Scientific, Singapur 2012, 300 S., geb., 67,95 Euro, ISBN 9789814307819

Anja Skaar Jacobsen

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Mit ihrem Buch legt die Wissenschaftshistorikerin Anja Skaar Jacobsen nicht nur die erste Bio­grafie des belgischen Physikers Léon Rosenfeld (1904 – 1974) vor, sondern zugleich ein Werk, das die der Zeit entsprechenden Diskussionen um die Quantentheorie lebendig werden lässt und darüber hinaus auf Rosenfelds politisches Engagement bis in den Kalten Krieg hinein eingeht. Wie der Untertitel bereits deutlich macht, begreift die Autorin Rosenfeld und sein Werk aus dem wissenschaftlichen, historischen und politischen Kontext der Zeit heraus – fernab des veralteten Genres einer verklärenden Biografie wissenschaftlicher Helden. Das Buch ist chronologisch aufgebaut, was den Lesefluss unterstützt.
Nach Abschluss seines Physikstudiums verbrachte Rosenfeld seine Postdoc-Jahre in Paris, Göttingen und Zürich. Seine Diskussionspartner in den damaligen Zentren der modernen Quantentheorie lesen sich wie ein Who‘s who der Physikgeschichte: De Broglie, Langevin, Born, Dirac, Pauli, Heisenberg und viele mehr. Rosenfeld beteiligte sich an den zentralen Kongressen der Zeit, in denen sich die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik gegenüber konkurrierenden Theorien durchsetzte, wie der Volta-Tagung in Como, bei der Bohr erstmals sein Komplementaritätsprinzip darlegte.

Rosenfeld pflegte bereits während seiner ersten Professur in Liège ab 1930, mehrere Monate pro Jahr bei Bohr in Kopenhagen zu verbringen. Er sollte zu einem der vehementesten Verfechter von Bohrs physikalischen Theorien werden. Im Gegensatz zu seinem Mentor Bohr versuchte Rosenfeld das Komplementaritätsprinzip aber aus seiner marxistischen Weltanschauung heraus zu begreifen, was Wolfgang Pauli zu der Gleichung Rosenfeld = √ Bohr × Trotsky veranlasste. Dogmatische marxistische Deutungen der Quantenmechanik, in denen der Philosophie Vorrang vor der physikalischen Theorie eingeräumt wurde, lehnte Rosenfeld nicht nur ab, sondern setzte all seine Möglichkeiten dazu ein, ihre Verbreitung einzudämmen. So lehnte er als Gutachter von Nature eine Publikation des amerikanischen Marxisten David Bohm ab, ebenso wie die sowjetischer Autoren zu Beginn der 1950er Jahre und publizierte kurze Zeit später seine eigene Fassung.
Den zweiten Weltkrieg überlebte er als Professor in Utrecht, sein jüdischer Vater blieb den deutschen Besatzern verborgen. Es folgten Stellen in Manchester und schließlich ab 1957 bis zu seinem Tod an dem von Bohr gegründeten Nordic Institute for Theoretical Atomic Physics in Kopenhagen.

Das exzellent geschriebene und spannend zu lesende Buch stellt die physikalischen Grundlagen im historischen Kontext kenntnisreich dar und zeigt, dass Rosenfelds gesellschaftspolitisches Engagement untrennbar damit verbunden ist. Es wird ergänzt durch ein detailliertes Schlagwortverzeichnis. Somit kann es nicht nur denjenigen empfohlen werden, die sich für die Geschichte der Quantentheorie, sondern allen, die mehr über die facettenreiche Entwicklung der Naturwissenschaften im Spannungsfeld von Politik, Gesellschaft und Philosophie im „Jahrhundert der Extreme“ wissen möchten.

Dr. Christian Forstner, Institut für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik, Universität Jena

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