Let's get physical! – Olivia Newton-John: Physical
Olivia Newton John, Physical, EMI, 1C 064-64 560 (1981)
Alexander Pawlak

„Ein Komponist ist ein Typ, der herumläuft und ahnungslosen Luftmolekülen seinen Willen aufzwingt.“ So drückte es einmal Frank Zappa aus. Die Verbindung zwischen Musik und Physik geht aber über das zwingende Phänomen der Schallwellen hinaus. Physikalische Aspekte haben immer wieder Kompositionen wie Liedtexte inspiriert – von Klassik über Neue Musik und Jazz bis Rock und Pop.
Dies hatte ich in einem April-Scherz im Physik Journal im Jahr 2006 aufgegriffen: In einer Rezension stellte ich das fiktive Buch „Let‘s get physical" vor, das sich mit Rock- und Popsongs befasste, in denen es um physikalische Themen geht. Die genannten Beispiele waren echt, das Buch nicht. Der Name der Autorin deutete darauf hin, dass da etwas faul sein musste: „T[eresa]. R. A. Volta“.
Mittlerweile ist Musik im Web allgegenwärtig, vieles ist frei und legal verfügbar, nicht zuletzt auf YouTube. Zudem lässt sich dank der Streaming-Dienste leichter auf Musik verlinken – eine gute Gelegenheit in steter, nicht zwingend regelmäßiger Folge Musik mit ausgewiesenem Physikbezug vorzustellen. Informationen zu neuen Folgen finden sich im Physik Journal Newsletter.
Den Anfang macht Olivia Newton-John mit „Physical“. Bekannt wurde sie nicht zuletzt durch die Filmversion des Musicals „Grease“, in der sie an der Seite von John Travolta spielte, sang und tanzte. Doch was qualifiziert sie für diesen Auftakt über die Tatsache hinaus, dass der Refrain „Let’s get physical!“ ihres Hits dieser Serie ein treffendes Motto gibt? Die Lektüre der Lyrics weist inhaltlich auf eindeutig zweideutige Gefilde hin und mitnichten auf harte Physik.
Doch hier lohnt ein Blick in ihre Biografie. Olivia Newton-John wurde am 26. September 1948 im englischen Cambridge als jüngstes von drei Kindern geboren. Ihr Vater Brinley Newton-John (1914–1992) stammte aus Wales und arbeitete als Deutschlehrer. Während des Zweiten Weltkriegs er Offizier im Security Service. Der Bezug zur Physik kommt über ihre Mutter Irene Born (1914–2003), denn diese war die älteste Tochter des deutschen Physikers Max Born, seines Zeichens Mitbegründer der Quantenmechanik und zusammen mit Walther Bothe Physik-Nobelpreisträger des Jahrs 1954.
Max Born war 1952 von England nach Deutschland zurückgekehrt, Enkelin Olivia zog im Alter von sechs Jahren mit ihrer Familie nach Australien, wo ihr Vater an einem College unterrichtete. Ihren ursprünglichen Berufswunsch Tierärztin gab sie zugunsten vielfältiger Bühnenaktivitäten auf, die in ihrer Highschool-Zeit begannen. Bei einem Talentwettbewerb in Australien gewann sie 1965 eine Reise nach England, wo sie erste Auftrittserfolge hatte. Im selben Jahr hatte sie auch ihre erste Rolle in einem australisch-neuseeländischen Musical-Fil.
Ihre professionelle Musikkarriere startete Anfang der Siebzigerjahre und führte sie auch wieder zum Film. Mit „Grease“ hatte sie 1978 sicher einen ihrer größten Erfolge, der Musical-Film „Xanadu“ (1980) erwies sich dagegen als Flop. Ihr Album „Physical“ (1981) war wieder ein kommerzieller wie künstlerischer Erfolg. Der Titelsong führte wegen der sexuellen Anspielungen zu Kontroversen, die das Video allerdings mit einem gehörigen Augenzwinkern kontert.
Ihren Großvater vergaß sie in all den Jahren nicht, lernte ihn aber nicht mehr kennen. Max Born war bereits am 5. Januar 1970 gestorben und konnte daher die erfolgreiche Karriere seiner Enkelin nicht mehr miterleben. „Ich bedauere es sehr, meinen Großvater nicht getroffen zu haben, aber ich fühle mich trotzdem glücklich über sein Vermächtnis“, sagte sie im Dezember 2008 in Berlin, wo sie mit ihrer Schwester Rona und ihrem Onkel Gustav Born an der Festveranstaltung aus Anlass des 125. Geburtstags von Max Born teilnahm und sogar einige Musical-Highlights zum Besten gab.

Ihre Karriere wurde Anfang der 1990er-Jahren durch eine Brustkrebserkrankung unterbrochen, die sie jedoch erfolgreich überstand. Sie engagierte sich daraufhin durch Auftritte und Benefiz-Veranstaltungen dafür, ein größeres öffentliches Bewusstsein für Brustkrebs zu schaffen. Als sie im Mai 2017 eine Tournee wegen ausgeprägter Rückenschmerzen absagen musste, wurden bei ihr Metastasen in der Wirbelsäule diagnostiziert und sie unterzog sich einer Strahlentherapie. Im August 2022 starb sie an den Folgen der Krebserkrankung in Kalifornien.
Der erste Eintrag in einer physikalisch ausgerichteten Play-List ist eine passende Gelegenheit, um an Olivia Newton-John, ihre Musik und ihren berühmten Großvater zu erinnern.
In der nächsten Folge wird eine Komposition vorgestellt, die von moderner Quantenphysik inspiriert ist und in einer neuen Version bei der Abschlussveranstaltung zum Quantenjahr 2025 in Münster zu erleben sein wird.
Alexander Pawlak
Jukebox
- Album: Olivia Newton John: Physical (Wikipedia) / 40th Anniversary Edition
- Single: Olivia Newton-John: Physical / The Promise (The Dolphin Song), EMI 1C 006-64 570 / Lyrics
- Olivia Newton-John (offizielle Website)
- Olivia Newton-John Foundation
Sounds of Science
- A. Pawlak, Happy birthday, Max Born!, Physik Journal, Januar 2008, S. 9 PDF
- A. Pawlak, „Er hätte auch Konzertpianist werden können“ – Interview mit Gustav Born, Physik Journal, April 2006, S. 11 PDF
- H. Rechenberg, Rezension von: N. T. Greenspan, The End of the Certain World - The Life and Science of Max Born / Max Born - Baumeister der Quantemechanik (2005)
- A. Schirrmacher, Die Physik im Großen Krieg, Physik Journal, Juli 2014, S.43 PDF
- Artikel von Max Born in den Physikalischen Blättern (Wiley Online Library)
- Artikel zu Max Born in den Physikalischen Blättern (Wiley Online Library)
- Physik Journal Dossier: Schall, Klang, Musik