27.04.2006

The End of the Certain World - The Life and Science of Max Born / Max Born - Baumeister der Quantemechanik

Nancy T. Greenspan: The End of the Certain World, John Wiley & Sons, Chichester 2005, ISBN 0470856637 / Max Born, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2005, ISBN 9783827420800

Greenspan

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Über Max Borns Leben und Werk gibt es eigentlich viel weniger Literatur als der Bedeutung dieses großen Lehrers und Forschers der Atomtheorie im 20. Jahrhundert angemessen wäre. Die neue, auch ins Deutsche übersetzte Biografie der diplomierten amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlerin Greenspan beginnt nun, diese wesentliche Lücke zu schließen.

Sie hat sich dazu der nachhaltigen Unterstützung zweier Kinder versichert, von Irene Newton-John und Gustav Born, die ihr den Zugang zum Nachlass, den Briefen und Tagebüchern beider Eltern und eigenen Erinnerungen gewährten. Außerdem befragte sie ausführlich Nachlässe von Borns Kollegen, Schülern und Freunden. Herausgekommen ist dabei ein lebendiger Einblick in die Herkunft der Eltern aus dem polnisch-preußischen Posen bzw. Schlesien und das Leben von Max und Hedwig Born und ihrer Familie zunächst in den deutschen Universitätsstädten Breslau, Göttingen, Berlin, Frankfurt und wieder Göttingen. Von den Nazis vertrieben fanden sie Unterschlupf in England und Indien und eine neue Heimat und britisches Bürgerrecht in Edinburgh, bis sie 1954 nach Deutschland zurückzogen und in Bad Pyrmont nahe Göttingen ihren Lebensabend verbrachten.

Wer die Borns in ihren späten Tagen erlebte oder die bisherigen Berichte (einschließlich Max Borns Selbstbiografie) kennt, erhält den Eindruck einer trotz aller Schicksalsschläge stets harmonischen Verbindung des großen Gelehrten mit seiner im Geiste kongenialen Ehegefährtin. Die neue Biografie zeichnet dagegen ein oft von Krisen geschütteltes Verhältnis. Offenbar hatte nur Max seine Frau aus Liebe geheiratet, während Hedwig schon frühzeitig unter seiner Art und Arbeitsweise litt und sich etwa in der zweiten Göttinger Periode dem befreundeten Mathematiker Gustav Herglotz zuwandte  Max suchte dann die Hilfe seiner begabten Schülerin Maria Göppert, die mit dem amerikanischen Assistenten Joe Mayer fest verbunden war. Auch die Exiljahre lösten die Spannungen zwischen beiden kaum. Erst die vor allem von Hedwig ersehnte Rückkehr nach Deutschland  alle Kinder mit ihren britischen Ehepartnern blieben in der Wahlheimat - änderte das Verhältnis: Das gemeinsame Buch „Luxus des Gewissens“ (1969) verkündet die endgültig erreichte Harmonie zwischen der Quäkerin und dem Kämpfer gegen die militärische Anwendung der Kernenergie.

Im Vorwort zur deutschen Übersetzung bezeichnet Jürgen Ehlers zu Recht die vorliegende Biografie als „wesentlich aus menschlicher und gesellschaftspolitischer Sicht geschrieben, weniger aus der physikalischen oder wissenschaftshistorischen“. In der Tat ist die Erwähnung der Wissenschaft im Titel der englischen Originalausgabe ziemlich irreführend. Die Autorin diskutiert zwar einige der frühen theoretischen Untersuchungen Borns (mit Hilfe von befragten) Fachleuten kurz und zutreffend, aber was sie z. B. aus den Schilderungen Max Borns und anderen Quellen über die Entwicklung der Quantenmechanik herausliest, ist leider lückenhaft und wenig befriedigend. Besonders die Verteilung und zeitliche Abfolge der Ereignisse müsste viel genauer und frei von Datierungs- und Zuordnungsfehlern - selbst wenn das von Borns eigenen Angaben bestätigt erscheint  behandelt werden, um ein ausgewogenes Bild dieser zentralen Entwicklung der Physik im 20. Jahrhundert und Borns Rolle in ihr zu entwerfen.

Trotz dieser Einschränkung, die übrigens im deutschen Untertitel berichtigt wird, stellt die vorliegende Biografie eine ebenso vorzügliche wie nützliche Bereicherung der Born-Literatur dar, denn sie ist ebenso faktenreich wie eindringlich, und nicht zuletzt ist es der Autorin gelungen, die wichtigsten Zeitzeugen noch direkt oder über ihren Nachlass zu befragen und daraus ein getreueres Lebensbild eines der überragenden Naturgelehrten (nicht nur!) des vergangenen Jahrhunderts zu formen.

Dr. Helmut Rechenberg,
Max-Planck-Institut für Physik, Werner-Heisenberg-Institut, München


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