Mit Physik auf der Suche nach dem Sinn des Lebens
Tim Vollert, Mit Physik auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, dtv, München 2025, brosch., 320 S., 13 Euro, ISBN 9783423352475
Tim Vollert
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Gewiss hat es seine Berechtigung, wenn „Wissenschafts-Influencer“, die in den Social Media ein großes Publikum haben, auch auf dem Buchmarkt Fuß fassen möchten. Inhalte lassen sich dort vertiefen, und der Verlag profitiert davon, dass die Autor:innen bereits ihr Publikum mitbringen und selbst auf den verschiedensten Kanälen die Werbetrommel rühren können. Allerdings gilt nicht zwingend, dass sich locker-flockige Redebeiträge ohne Aufwand in gute populärwissenschaftliche Prosa übersetzen lassen.
Daher war ich neugierig, wie sich der Podcaster Tim Vollert, selbst noch Student der Physik und Biologie, mit der Physik auf die Suche nach dem Sinn des Lebens macht. Vollert möchte mit seinem Buch nichts Geringeres, als die Geschichte des Lebens, des Universums und des ganzen Rests zu vermitteln. Im gewissen Sinne gelingt ihm das, weil er kein wesentliches Thema auslässt.
Vom Urknall über Strukturbildung im Universum und die Entstehung des Sonnensystems über die Evolution des Lebens bis zum Menschen bis zum Ende des Universums, all das findet sich in diesem Buch. Doch auch wenn ich Tim Vollert die Begeisterung für die großen Fragen der Wissenschaft und darüber hinaus abnehme, liest sich das eher wie ein Repetitorium des modernen Wissens von Physik, Astronomie und Lebenswissenschaften.
Allerdings erfährt man kaum etwas darüber, wie man auf all diese faszinierenden Wissensbestände gekommen ist. Stattdessen klingt es etwa im Kapitel „Physikgeschichte II: Die Quantisierung der Welt“ so: „Es gab viele zögerliche Entdeckungen, welche die Entdecker zuerst selbst nicht glaubten, bis genug davon gemacht worden waren, damit die einzelnen Teile zumindest den Ansatz eines gemeinsamen Bildes formten“.
Das ist nur eine der leider allzu vielen ungelenken Formulierungen, die den Text des Buches nachhaltig prägen. Natürlich sind viele Aussagen nicht falsch, aber oft genug verflüchtigt sich jede Nachvollziehbarkeit, z. B. wenn es um die Entstehung der Spiralstruktur von Galaxien geht: „In den jungen Galaxien gab es mehrere Ellipsenbahnen, auf denen die Materie dichter angesiedelt war als an anderen Stellen. Dadurch entstanden dort mehr Sterne und sie formten sich zu den charakteristischen Spiralarmen.“ Zwar gibt es gerade im Falle der galaktischen Strukturbildung noch viel Forschungsbedarf, aber auch in der gebotenen Kürze wäre mit dem Verweis auf Dichtewellen viel gewonnen gewesen.
Dem Autor mag ich keinen Vorwurf machen, denn er schreibt, wie er im Podcast spricht. Doch das Web ist geduldiger als jedes Blatt Papier, und es wäre erstaunlich, wenn er in allen behandelten Bereichen jetzt schon Experte wäre. Hier beim gedruckten Text stellt sich für mich der Eindruck ein, dass es von Verlagsseite kein nennenswertes Lektorat gegeben hat, weder sprachlich noch fachlich. Tim Vollert dankt stattdessen zwei Freunden für „das Überprüfen der Physik“.
Die schwarzweißen Abbildungen sind mehr oder weniger illustrativ, aber selten erhellend, zumal Bildunterschriften fehlen. Teilweise bleiben die Abbildungen kryptisch (Was soll auf S. 140 zu erkennen sein?) oder sind so reduziert, dass sie entbehrlich sind, etwa beim Asteroiden Oumuamua (S. 105) oder der Oortschen Wolke (S. 137). Das Literaturverzeichnis weist für einzelne Themen bzw. Themenbereiche immerhin nach, woraus sich das jeweilige Wissen speist. Doch irgendwie gewinnt man nicht den Eindruck, dass dieses Wissen ausreichend durchdrungen wurde. So bleibt es oft genug bei Paraphrasen.
Wenn ich nicht das fertige Buch vor mir hätte, wäre ich bei der Lektüre von einer ersten Manuskriptfassung ausgegangen. Aus der ließe sich sicher etwas machen. Vielfach täte es gut, die hochtrabend-gefühligen Überlegungen zum Sinn des Lebens über Bord zu werfen. Was soll man auch mit einem Satz wie diesem anfangen: „Basierend auf dem, was wir wissen, ist es schlichtweg nicht falsch zu sagen, dass wir die Fingerpuppen an derselben Hand, unserem Universum, sind.“ Das ist sprachlich krumm und – vorsichtig gesagt – ein eigenwilliges Bild. Dass Vollert auf Carl Sagan und Freeman Dyson verweist, ist mir hier nicht fundiert genug.
Damit man mich nicht falsch versteht: Auch wenn die Suche nach dem Sinn des Lebens mit der Physik eher im Nebel stecken bleibt, ist Tim Vollert zu beglückwünschen, dass er so einen umfangreichen Text vorgegelegt hat. Der hätte nur sehr viel mehr verlegerische Sorgfalt verdient gehabt.
Alexander Pawlak
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