Morde, Macht, Moneten. Metalle zwischen Mythos und High-Tech
Raabe
Von D. Raabe. Wiley-VCH, Weinheim 2001. XI + 235 S., Softcover, ISBN 3-527-30419-3
Ob der Inhalt wohl hält, was der Titel verspricht? Schwer zu sagen - es hängt davon ab, was man erwartet. Wer nur locker-flockig unterhalten werden will, kommt wohl auf seine Kosten. Wer darüber hinaus erwartet, dass hier ein Fachwissenschaftler auf verständliche Weise Einblick in die moderne Metallphysik gibt, wird wohl eher enttäuscht werden. Und auch der so gerne geforderten Transparenz der modernen Wissenschaft wird hier nicht Genüge getan.
Der Autor hat im Wesentlichen aus zahlreichen (genannten und ungenannten) Quellen lexikographisches Wissen, Anekdoten, Histörchen und Esoterika gesammelt und eher unkritisch wiedergekäut. Man darf sich wieder wohlig gruseln, wenn der kopflose Störtebeker die Reihen seiner Mannen abschreitet, die von Däniken unselig schon bemühten Batterien der alten Assyrer bestaunen, sich mit dem Autor fragen, ob die alten Ägypter schon Glühbirnen hatten, die ,,Nachbildungen" der Schwerter von Artus, Siegfried und Richard Löwenherz anschauen und beim Betrachten echter Keuschheitsgürtel darüber reflektieren, wie herrlich weit wir es doch zwischenzeitlich bei der Nutzung der Metalle gebracht haben.
Das Buch ist voll von solchen Themen - und das liest sich durchaus vergnüglich. Den Laien stören wohl auch nicht die diversen Fehler, Ungenauigkeiten oder verpassten Gelegenheiten. Darf ein Physiker, der die Spannungsreihe zumindest im Hinterkopf haben sollte, unkritisch wiedergeben, dass die alt assyrische Batterie (so der Artefakt das wirklich war) eine Spannung von 5 Volt abgibt oder dass Indium sich großer Beliebtheit bei Halbleiterdesignern erfreut? War das Roheisen der Alten nun besonders weiches Schmiedeeisen oder sprödes Gusseisen? - so ganz klar wird das nicht aus den öfters gemachten Bemerkungen zur Schmiedekunst der Alten. Was ist denn nun Kristallisationsdamast - in dem Kapitel über Damaszenerstahl wohl erwähnt, aber dann nicht mehr erklärt. Und warum, um alles in der Welt, Abbildungen reiner Phantasieschwerter, wenn es atemberaubende und bis in die Details exakte Nachbildungen echter keltischer Damaszenerschwerter aus der Vorzeit gibt?
Die physikalischen Ursachen der Eigenschaften von Metallen werden allerdings nicht erläutert - Begriffe wie elastische und plastische Verformung, Versetzungen, Leerstellen und Zwischengitteratome, Diffusion, Phasendiagramme, usw. kommen schlicht nicht vor. Letztlich hätte das Buch auch von einem Historiker oder Soziologen geschrieben werden können; Expertenwissen fließt nur spärlich ein.
Wer also hofft, in leicht verständlicher Form zu erfahren, warum die Metalle die Eigenschaften haben, die sie auszeichnen, der wird enttäuscht werden. Wer das weiß, nicht zuviel erwartet und auch nicht alles glaubt - der kann das Buch durchaus mit Gewinn lesen. Man wird unterhalten und lernt doch noch ein bisschen was: Über die Herkunft vieler Namen und Spruchweisheiten, über Schätze, Schatzsucher und Schmiede, über Gold und Geld, und vor allem aber, dass es großen Spaß machen kann, sich nicht nur mit der Wissenschaft, sondern auch mit Teilen ihrer Geschichte zu befassen.
Prof. Dr. Helmut Föll, Technische Fakultät der Universität Kiel