30.11.2010

On Fact and Fraud

Goodstein, D.

Gerade war der wohl spektakulärste wissenschaftliche Fälschungsskandal der letzten Jahre wieder in den Medien: Beim Versuch, dem deutschen Physiker Jan-Hendrik Schön seinen Doktortitel abzuerkennen, ist die Universität Konstanz vor Gericht gescheitert. Vor bald zehn Jahren hatte der Höhenflug des Physikers ein jähes Ende, als sich herausstellte, dass er angebliche Messkurven berechnet statt gemessen hatte. Der „Fall Schön“ ist einer der allesamt lehrreichen Beispiele von vermeintlichen und tatsächlichen Entdeckungen, die David Goodstein in seinem lesenswerten Buch gesammelt hat. Am Caltech hat der Professor für Festkörperphysik die „Policy on Research Misconduct“ verfasst und mehr als zehn Jahre lang eine Vorlesung über wissenschaftliche Ethik gehalten.

Das Beispiel Schön untermauert eindrucksvoll Goodsteins These, dass bei wissenschaftlichem Fehlverhalten fast immer drei Faktoren eine Rolle spielen: Die Täter stehen unter Karrieredruck; sie kennen oder glauben zu kennen, welches Ergebnis ein Ver-such hätte, wenn sie es ordentlich durchführen würden; und sie arbeiten in einem Gebiet, in dem sich Experimente kaum exakt reproduzieren lassen.

Um Betrug in der Wissenschaft definieren zu können, versucht Goodstein zunächst, möglichst genau einzugrenzen, wie Wissenschaft funktioniert. Dazu nennt er 15 plausible Grundsätze, die – dessen ist er sich bewusst – kaum in letzter Konsequenz einzuhalten sein dürften. Einer dieser Grundsätze geht auf Richard Feynman zurück und lautet, dass sich Wissenschaftler „ein Bein ausreißen“ sollen, um Evidenz gegen ihre eigenen Hypothesen zu finden; ein anderer ist, dass Wissenschaftler alles, was sie gemacht haben, vollständig offen legen sollen.

Im Anschluss daran analysiert Goodstein unter anderem den Fall des Nobelpreisträgers Robert Millikan, der beschuldigt wurde, bei der Bestimmung der Elektronenladung diejenigen Messpunkte ausgeschlossen zu haben, die seiner Hypothese widersprachen. Nach einer Analyse von Millikans Laborbüchern kommt der Autor letztlich zum Urteil „nicht schuldig“. Spannend ist auch das Beispiel von Martin Fleischmann und Stanley Pons, die im Mai 1989 einer staunenden Weltöffentlichkeit die kalte Fusion präsentierten, also Kernfusion in schwerem Wasser durch einfache Elektrolyse. Goodstein betont, dass man bei diesem Fall zwischen Betrug – für den er keinen eindeutigen Hinweis findet – und dem unterscheiden muss, was Irving Langmuir „pathologische Wissenschaft“ nannte: Dabei ist ein Wissenschaftler davon überzeugt, das Richtige zu tun, während er sich de facto selbst täuscht und sich verrennt.

In der Geschichte der Wissenschaft gibt es viele Beispiele dafür, dass die Natur uns von Zeit zu Zeit mit vermeintlich unmög-lichen Tatsachen konfrontiert. Goodstein analysiert dazu die Entdeckung des Mössbauer-Effekts sowie der Hochtemperatur-Supraleitung. Während diese Phänomene jedoch innerhalb von Wochen von anderen Wissenschaftlern zweifelsfrei bestätigt wurden, ist das bei der kalten Fusion bis heute nicht gelungen.

Goodsteins unterhaltsames und nachdenklich stimmendes Buch sollte Pflichtlektüre für jeden Wissenschaftler und Studierenden sein.

Stefan Jorda

D. Goodstein: On Fact and Fraud, Princeton University Press, 2010, 184 S., geb., ISBN 9780691139661

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