26.09.2024

Quanten-Bull­shit

Chris Ferrie: Quanten-Bull­shit – Wie man sein Leben mit Quantenphysik ruiniert
Kosmos, Stuttgart 2024, geb., 224 S., 20 Euro, ISBN  9783440179048

Chris Ferrie

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Selten gibt es Buchtitel, für die man sich entschuldigen möchte. Das vorliegende Buch des Quantenphysikers Chris Ferrie von der University of Technology in Sydney gehört dazu. Sein Buch hat im Grunde drei Ziele: Zeigen, was Quantenphysik nicht ist („Quanten-Bullshit“), erklären, was Quantenphysik ist, und darauf hinweisen, wie toll der Autor ist (S. 9) – natürlich ironisch gemeint: „Zunächst einmal gehe ich davon aus, dass Sie dieses Buch aus zwei Gründen zur Hand genommen haben: 1. Mein Name­ steht drauf und ich bin großartig, und 2. Sie finden Quantenphysik unheimlich spannend … und ich bin immer noch großartig.“

Diese Ziele kommen sich so sehr ins Gehege, dass ich bezweifle, dass man ohne Vorkenntnisse viel aus dem Buch über Quantenmechanik lernen kann. Die inhaltliche Essenz bleibt auf der Strecke, wenn sie zu arg von Witzeleien und Abschweifungen überlagert wird. Das ist schade, denn Chris Ferrie hat auch amüsante Ideen zu bieten, etwa die Vorstellung, eine Gitarre anzuschreien, um Resonanz zu veranschaulichen.
Doch bei vielen Sätzen kratzt man sich schon gehörig am Kopf, etwa im Infokasten am Ende des Abschnitts „Ist eine Katze ein Quantending?“, der auf den ersten Blick sachlicher daherkommt (S. 119): „In der Quantenphysik werden Objekte mathematisch beschrieben, indem man Bruchteile von klassischen Zuständen aufaddiert.“ Fast 100 Jahre nach der Entwicklung der Quantenmechanik kann das doch nicht der Weisheit letzter Schluss sein, wenn es darum geht, die quantenmechanischen Grundlagen zu erklären? Oder ist da durch die Übersetzung etwas auf der Strecke geblieben?

Der wiederholte Hinweis, dass mit der Vorsilbe „Quanten-“ in esoterischen Bereichen Schindluder getrieben wird, mag berechtigt sein, macht aber die Quantenmechanik nicht wirklich verständlich. Und die dafür angeführten Beispiele bleiben nebulös, zumal es beispielsweise mit dem unangenehm erfolgreichen Film „What the Bleep do we (k)now!?“ (2004) eine hervorragende Zielscheibe für instruktive Kritik an Quanten­esoterik gibt.

Im hinteren Buchteil findet Chris Ferrie immer mal wieder zu einem Tonfall, der dem ganzen Buch gut getan hätte, etwa wenn er sich zum „Szientismus“ (S. 154), zum Status des Quantencomputers (S. 186) oder zur Bedeutung von Grundlagenforschung (S. 187) äußert. Doch letztlich bleiben solche Stellen zu weit verstreut. Daher erhält man eher ein Buch, das sich wie das Transkript eines ausgedehnten Science-Slams liest, dessen Tonlage zwischen salopp, sarkastisch und viel zu oft unflätig schwankt. Dabei nervt die angestrengte direkte Anrede: „Nehmen wir zum Beispiel Sie. Ja genau Sie, Sie wunderschönes Biest. Auf welche Ereignisse könnten Sie Einfluss nehmen?“ (S.  143).
Die vom Autor selbst angefertigten Illustrationen sind eher irritierend als erhellend und pendeln unentschieden zwischen Cartoon und Veranschau­lichung. Statt der sehr diversen Referenzen in den Fußnoten hätten weiter­führende Literaturhinweise und ein Register dem Buch gut getan.

Humor ist sicher nicht die schlechteste Zutat zu einem populärwissenschaftlichen Buch, aber nicht, wenn er so bemüht ausfällt wie hier (S. 114/115): „Das Newtonsche Weltbild ist richtig lahm, wie ein Film mit schlechten Schauspielern, von denen man keinen kennt, und der es nie ins Kino geschafft hat. Dagegen ist das Weltbild, das wir Schrödinger zu verdanken haben, wie einer dieser superteuren Blockbuster mit Tom Hanks in der Hauptrolle.“ Dazu kann ich nur mit Forrest Gump sagen: Dieses Buch ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt.

Alexander Pawlak

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