02.03.2011

Schwarze Löcher

Müller, A. bzw. Begelman/Rees

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Zu den Eigenschaften, der Entstehung und der astrophysikalischen Bedeutung von Schwarzen Löchern gibt es eine Vielzahl von populärwissenschaftlichen Büchern und Fachbüchern. Zur ersten Gruppe zählen auch das neue Buch von Andreas Müller und die Zweitauflage des Buchs von Mitchell Begelman und Martin Rees. Beide Bücher vermitteln den Lesern nicht nur einen Einblick in die faszinierende Geschichte der Schwarzen Löcher, sondern bringen sie auf den neuesten Stand der Forschung, der sich in den letzten fünfzehn Jahren durch Fortschritte bei den Be­obachtungstechniken sowie Computersimulationen enorm erweitert hat.

Wie die Autoren ausführlich beschreiben, gehen Astrophysiker inzwischen davon aus, dass sowohl stellare Schwarze Löcher, mit Massen von drei bis etwa 100 Sonnenmassen, als auch extrem massereiche Schwarze Löcher in großer Anzahl im Universum vorhanden sind. Letztere findet man im Zentrum fast jeder Galaxie, so auch in der Milchstraße, deren zentrales Schwarzes Loch nach neuesten Messungen eine Masse von 4,3 Millionen Sonnenmassen besitzt; beide Büchern gehen noch von rund drei Millionen Sonnenmassen aus.

A. Müller: Schwarze Löcher – Die dunklen Fallen der Raumzeit, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2010, X + 206 S., broschiert, ISBN 9783827420701;
M. Begelman, M. Rees: Gravity‘s Fatal Attraction – Black Holes in the Universe, Cambridge University Press, 2. Aufl., Cambridge 2010, 312 S., brosch., ISBN 9780521717939

Vermutlich besitzen die meisten Schwarzen Löcher einen signifikanten Eigendrehimpuls, dessen genauer Wert sich allerdings durch astronomische Beobachtungen nur schwer bestimmen lässt. Wie von den Autoren beschrieben, kann man die Rotationsenergie eines Schwarzen Lochs anzapfen und ihm damit Energie entziehen. Begelman und Rees beschreiben sehr anschaulich und doch physikalisch korrekt (bei Müller sind die entsprechenden Passagen knapper), dass die Rotationsenergie mittels bisher nicht im Detail verstandener magnetohydrodynamischer Prozesse dazu verwendet werden kann, um die auf ein akkretierendes Schwarzes Loch zustürzende Materie teilweise umzulenken und in eine kollimierte, nahezu lichtschnelle Ausströmung (Jet) in Richtung der Rotationsachse zu verwandeln. Die von den Jets in den Galaxienkernen freigesetzten und über Entfernungen von bis zu einigen Millionen von Lichtjahren transportierte Energiemengen sind wahrhaft astronomisch und betragen bis zu 1054 Joule. Dies entspricht etwa der Energie, die eine Galaxie von der Größe unserer Milchstraße mit 100 Milliarden Sternen in einer Milliarde Jahren produziert. Die Rückwirkung dieser Loch-Aktivität auf die Entwicklung der Galaxien ist der Gegenstand aktueller Forschung und wird in beiden Bücher ausführlich behandelt.

Die Autoren diskutieren auch „Mini-Schwarze Löcher“, die sich im frühen Universum gebildet haben könnten und die unter Umständen auch in Teilchenbeschleunigern entstehen könnten. Letzteres hatte im Rahmen der Inbetriebnahme des Large Hadron Colliders (LHC) wegen der vermeintlichen Gefahr zu heftigen Diskussionen in Presse und Internet (und sogar zu einer gerichtlichen Klage) geführt. In beiden Büchern wird diese „Bedrohung“ analysiert und als vollkommen unbegründet entkräftet.

Die Präsentation der Forschungsergebnisse ist in beiden Büchern sehr unterschiedlich, was zum Teil am deutlich größeren Umfang des Buchs von Begelman und Rees liegt. Müllers Buch hat keine klar definierte Zielgruppe (gebildete Laien, Physikstudierende oder Kollegen?) und wirkt auf mich wie mit heißer Nadel gestrickt, da es einige kleinere Ungenauigkeiten enthält. Die Darstellung ist uneinheitlich und reicht von sehr technisch über teilweise lexikografisch bis zu prosaisch. Viele Fachbegriffe werden eingeführt, aber nicht wirklich erklärt, und für meinen Geschmack gibt es zu viele Akronyme. Andererseits ist das Buch eine wahre Fundgrube an neuesten Fakten zu Schwarzen Löchern und enthält Kapitel zur Thermodynamik Schwarzer Löcher sowie über exotischere Aspekte, wie Grava-, Holo- und Bosonensterne.

Begelman und Rees bieten eine umfassendere und sprachlich elegantere Darstellung des Themas, dafür jedoch in Englisch. Alles wird nachvollziehbar erklärt, die Argumentation ist sehr physikalisch, kommt aber ohne Formeln aus. Das Buch enthält sehr schöne Abbildungen von neuesten Beobachtungen und Computersimulationen sowie sehr instruktive Grafiken.

Interessierte Leser stehen somit vor der Entscheidung, ob sie lieber einen jungen aber spritzigen Beaujoulais noveaux oder einen gereiften und eleganten Bordeaux genießen möchten.

Priv.-Doz. Dr. Ewald Müller, Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching

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