23.08.2007

The Genesis of General Relativity

Renn, J. et al. (Hrsg.)

Bekannte Einstein-Forscher wie Jürgen Renn, John Stachel, John D. Norton, Michael Janssen und Tilman Sauer, die auch an der Herausgabe der gesammelten Werke von Albert Einstein maßgeblich mitwirkten, legen in diesem vierbändigen Werk auf über 2000 Seiten die Resultate einer über zehnjährigen wissenschaftshistorischen Forschungskooperation vor. Ziel war es, den äußerst verschlungenen Weg Einsteins von 1907 bis 1915 bis zur Vollendung seiner Theorie der Schwerkraft (Allgemeine Relativitätstheorie) im Detail zu rekons-truieren und damit verständlich zu machen. Die Entwicklung der physikalischen Theorie wird dabei in die Erkenntnistheorie der Wissenserzeugung und eine Geschichte von Wissenssystemen eingebettet.
Die Archäologie der Quelltexte ist erstaunlich vollständig gelungen. Als ein wesentlicher Text dienen die Forschungsnotizen Einsteins vom Winter 1912/13 in Zürich mit 57 Seiten zur Gravitationstheorie. Um dessen Faksimile und Transkription herum erstreckt sich der erste Doppelband des Werkes.
Nach einer Analyse J. Renns der kritischen Situation der Physik zu Beginn des 20. Jahrhunderts und der Definition der ersten beiden Akte des „Dramas“ durch J. Stachel, die durch das Äquivalenzprinzip und die Einführung eines tensoriellen Gravitationspotentials charakterisiert sind, entwickeln Renn und Sauer die (vermutete) heuristische Doppelstrategie Einsteins. Er stellte alternativ mathematische oder physikalische Gesichtspunkte in den Vordergrund. Dass eine eindeutige Rekonstruktion von Einsteins Gedankenweg nicht möglich ist, zeigen die in einzelnen Punkten abweichenden Aufsätze von M. Janssen und J. D. Norton.
Der zweite Doppelband besteht aus ins Englische übersetzten wichtigen Arbeiten zur Vor- und Endgeschichte der Allgemeinen Relativitätstheorie mit hilfreichen kommentierenden Aufsätzen. In ihm wird die verbreitete Mär zerstört, Einstein habe seine Arbeit an der Allgemeinen Relativitätstheorie ganz allein vollbracht, während die Spezielle Relativitätstheorie in der Luft gelegen sei. Es wird klar, dass Forscher wie etwa Gustav Mie, Max Abraham und Gunnar Nordström schon ein gutes Stück in Richtung auf eine (speziell-)relativistische Gravitationstheorie vorangekommen waren. Einstein hat von ihnen ebenso profitiert wie von den Mathematikern Hermann Minkowski, Marcel Großmann und David Hilbert sowie dem Astronomen Schwarzschild. Hier kommen nun auch Kenner von Minkowski (Scott Walter) und Hilbert (Leo Corry) zu Wort.
Etwas aus dem Rahmen fällt allerdings der Aufsatz von Julian Barbour mit seinem interessanten Vergleich der Auffassungen zu „relativ“ und „absolut“ von Ernst Mach und Albert Einstein. Die Geschichte dient ihm eher als Hintergrundfolie zum Hinweis auf seine eigenen theoretisch-physikalischen Arbeiten.
Da die Auswirkungen der Allgemeinen Relativitätstheorie, verglichen etwa mit denen der Quantentheorie, doch recht eingeschränkt sind, mag man sich über die aufwändigen Forschungen wundern. Jedoch wird sich jede zukünftige Untersuchung zur Gravitationstheorie Einsteins am Standard dieses umfassenden und herausragenden Werks messen lassen müssen.
Prof. Dr. Hubert Goenner, Institut für Theoretische Physik, Universität Göttingen

J. Renn et al. (Hrsg.): The Genesis of General Relativity
Springer, Heidelberg 2007, 2090 S., geb., ISBN 9781402039997

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