The Golem at Large. What you should know about technology
Collins
The Golem at Large. What you should know about technology
Von H. Collins u. T. Pinch.
Cambridge University Press, Cambridge 1998. XI + 163 S., hardback
ISBN 0-521-55141-2
Der Golem der Technologie. Wie unsere Wissenschaft die Wirklichkeit konstruiert
Von H. Collins u. T. Pinch. Berlin Verlag, Berlin 2000. 228 S.,. ISBN 3-8270-0335-0
Erinnern Sie sich noch an die Science Wars? Soziologen hatten sich mit moderner naturwissenschaftlicher Forschung befasst und beschrieben, wie wesentlich sie von sozialen Faktoren bestimmt ist. Einige Forscher, Physiker vor allem, erboste dieser Befund. Sie verwiesen auf den Erfolg ihrer Theorien und verwahrten sich dagegen, diese könnten von etwas anderem als der physikalischen Realität selber bestimmt sein.
Einer der Texte, um die der Streit tobte, war das im Original 1993 erschienene Buch "Der Golem der Forschung" der beiden britischen Wissenschaftssoziologen Harry Collins und Trevor Pinch. Beide sind gelernte Physiker und schreiben - anders als manche ihrer Kollegen aus den Science Studies - in klarer, für jedermann verständlicher Sprache. Dies war vielleicht einer der Gründe, warum gerade sie sich bald Angriffen ausgesetzt sahen. Vor allem erzürnte das Buch die Physiker. Ausgerechnet deren Kronjuwel, die Relativitätstheorie, hatten sich Collins und Pinch als ein Fallbeispiel für die soziale Bedingtheit von Forschung ausgesucht. Andererseits gingen die Schlüsse, die sie daraus zogen, manchen Soziologen nicht weit genug.
Nun legen Collins und Pinch einen Nachfolgeband vor: Im "Golem der Technologie" untersuchen sie - wiederum exemplarisch - den Einfluss sozialer Kontexte auf technologische Expertise. Wieder dürften sie sich damit zwischen einige Stühle gesetzt haben. Vor allem das stärkste Kapitel ihres neuen Buches, die Analyse der Challenger-Havarie, wird weder Technikenthusiasten noch Technikkritikern ganz ins Weltbild passen. Die Komplexität der unvermeidlichen Wechselwirkungen von technischen und sozialen Faktoren macht es nämlich oft unmöglich, Systemmängel und menschliches Versagen so säuberlich voneinander zu trennen, wie es etwa Fernsehkommentatoren vielleicht gerne hätten.
Leider können Collins und Pinch ihr Niveau nicht in allen Fallbeispielen des neuen Buches halten. Im letzten Kapitel etwa wird erzählt, wie AIDS-Aktivisten als medizinische Laien professionellen AIDS-Forschern Druck machen, damit klinische Tests aussichtsreicher Medikamente nicht zu Lasten Placebo-schluckender Patienten gehen. Eine gute Story - doch leider ist die Wahrheit auch hier komplizierter. Warum Collins und Pinch hier den Sieg eines Expertentums Betroffener über akademische Schulweisheit bejubeln, anstatt beides zu hinterfragen, bleibt unverständlich. Andererseits: Warum sollten ausgerechnet Experten fürs Expertentum ihrem sozialen Kontext entkommen können?
Dr. Ulf von Rauchhaupt, Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin
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