Unsicherheiten, aber sicher!
Burkhard Priemer: Unsicherheiten, aber sicher! Springer, Berlin, Heidelberg (2022), XI + 190 S., broschiert, 17,99 €, ISBN 9783662639894
Burkhard Priemer
Viele Alltagsphänomene bleiben im Verborgenen, bis auf sie aufmerksam gemacht wird: Dann zeigen sie sich plötzlich überall. Der Physikdidaktiker Burkhard Priemer beschert den Leser:innen seines Buchs sicherlich ein ähnliches Aha-Erlebnis. Während die Auseinandersetzung mit der begrenzten Genauigkeit von Messdaten essenziell für die wissenschaftliche Arbeitsweise ist, fristen Messunsicherheiten im Alltag ein regelrechtes Schattendasein. Priemer bringt Licht ins Dunkel und damit die Unsicherheiten zum Vorschein.
Die ersten Kapitel zeigen durch unterschiedliche alltagsnahe Beispiele auf, wie vielfältig die Anwendungsgebiete von Daten sind, wo uns im Alltag Unsicherheiten von Daten begegnen und welche Relevanz Messunsicherheiten für unser Leben haben. Dabei arbeitet Priemer überzeugend heraus, wie wichtig ein informierter Umgang mit Daten ist, um an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen teilnehmen zu können. Ohne besondere mathematische oder naturwissenschaftliche Kenntnisse vorauszusetzen, beleuchten die folgenden Kapitel verschiedene Aspekte des Umgangs mit Messunsicherheiten näher.
Der Beginn jedes Kapitels wirft Fragen auf, die es anschließend unter Zuhilfenahme verschiedener hervorragend recherchierter Beispiele aus Wissenschaft und Alltag beantwortet. Die wichtigsten Grundkonzepte und Begriffe zum Umgang mit Messunsicherheiten führt der Autor nicht durch formale Definitionen ein, sondern lässt die Lesenden diese vielmehr anhand der geschilderten Situationen „entdecken“. Darüber hinaus bieten viele Stellen Einblicke in verschiedene Messmethoden im Alltag, z. B. wie sich Personenzahlen bei Veranstaltungen abschätzen lassen. Die zahlreichen persönlichen Anekdoten motivieren und veranschaulichen die Inhalte; sie geben zudem einen unterhaltsamen Einblick in das Leben des Autors.
Da sich das Buch nicht in erster Linie an Wissenschaftler:innen richtet, sondern einen allgemeinbildenden Anspruch hat, sind vor allem die Kapitel 5 und 6 besonders wertvoll. Hier zeigt Priemer ausführlich und überzeugend auf, wie sich Daten gezielt oder unbewusst so darstellen lassen, dass sie ein falsches Bild über eine Situation vermitteln. Wie persönliche Erwartungen oder Überzeugungen die Dateninterpretation beeinflussen können und wie sich mit diesem Problem umgehen lässt, veranschaulichen interessante wissenschaftliche Beispiele.
Als systematische und formale Einführung in die Grundlagen des Umgangs mit Messunsicherheiten eignet sich das Buch eher nicht, zumal die vielen unterschiedlichen Beispiele stellenweise zu Lasten der Stringenz der Ausführungen gehen. Wer jedoch Lust auf eine Reise durch die Welt der Unsicherheiten hat, um ein konzeptuelles Grundwissen aufzubauen, wird große Freude an diesem Buch haben.
Insgesamt gelingt Priemer ein umfassender und fundierter Einblick in das Themenfeld der Messunsicherheiten, ohne mit übermäßig vielen Fachbegriffen und sperrigen Formeln aufzuwarten. Vielmehr sensibilisiert er für den kritischen Umgang mit Daten, sodass es möglich wird, verschiedene Situationen nun mit dieser neuen „Brille“ zu sehen. Daher ist dieses Buch auch eine ideale Einstiegslektüre für Studienanfänger:innen der Naturwissenschaften, bevor sie sich einem formalen Fachwerk widmen.
Dr. Julia Hellwig,
Ruhr-Universität Bochum