22.11.2004

Was ist die Welt?

Bauberger

Was ist die Welt? Zur philosophischen Interpretation der Physik

"Die Physik liefert keine Antwort auf die Frage, was die Welt ist. Vielleicht besteht ihr wertvollster Beitrag sogar darin, Selbstverständlichkeiten zu erschüttern, damit diese Frage in neuer Weise gestellt werden kann: Was ist die Welt?" (S. 237) So endet Baubergers über weite Strecken lesenswerte und für Laien verständliche Einführung in die Naturphilosophie. Diese gehe zwar von der Naturwissenschaft aus, erschöpfe sich aber nicht in deren Erkenntnissen, weil wissenschaftliches Arbeiten ontologische Vorentscheidungen beinhalte. Demgegenüber sei die Wissenschaftstheorie lediglich "eine Art Metareflexion zur Methode." (S. 24) Diese eingeschränkte Sichtweise führt leider dazu, dass Fragestellungen wie der Status von Naturgesetzen und das Realismusproblem unsystematisch und im Vorübergehen abgehandelt werden.

Im ersten Kapitel über den Aufbau der Materie interpretiert Bauberger die Nichtindividualität von Fermionen und Bosonen als Beweis für einen ontologischen Holismus auf mikroskopischer Ebene. Die Relativitätstheorien betrachtet er als Ansporn zur Verbesserung der Kantischen Auffassungen von Raum und Zeit. Der scheinbare Widerspruch zwischen einer Operationalisierbarkeit physikalischer Begriffe (insbes. Gleichzeitigkeit) und einem aprioristischen Ansatz löst sich erst in den folgenden Kapiteln. Zum einen betrachtet Bauberger den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, mithin die Existenz einer Zeitrichtung, als Voraussetzung jeglicher Messung und damit als Bedingung der Möglichkeit von Physik. Zum anderen sieht er (mit Verweis auf C. F. von Weizsäcker) in der Quantenmechanik eine Rolle für einen nichtreduziblen Standpunkt des Subjekts, das in der Messung die objektiven Eigenschaften der Mikrowelt erst konstituiert.

Im Kapitel Kosmologie widmet sich Bauberger den theologischen Implikationen der Feinabstimmung der Fundamentalkonstanten des Universums. Indem er naturalistischen Ansätzen ein ontologisches Vorurteil attestiert, argumentiert er dafür, die Schöpfung als personale Erklärung gleichberechtigt mit physikalischen Erklärungen anzusehen. Denn die Theorie des Universums sei nicht auf eine tiefere Ontologie rückführbar, sondern bestehe in abstrakten Symmetrien und Erhaltungssätzen; durch die Quantisierung käme ohnehin ein irreduzibel personales Element in die Kosmologie.

Die Probleme mit Baubergers gelegentlich oberflächlichem Zugang zu den behandelten physikalischen Theorien werden auch durch einen ins Internet gestellten Anhang nicht ausgeräumt. Während das Kapitel über Quantenmechanik einen guten Überblick über viele derzeit gängige Interpretationen bietet, verteilt der Autor seine Sympathien in Kosmologie und Selbstorganisation eher willkürlich. Ebenso kann Baubergers philosophisches Argument kaum überzeugen, es sei denn man teilt bereits seine philosophischen Vorentscheidungen (pro Subjekt-Objekt-Dualismus, contra Naturalismus). Beides macht das Buch für den Physiker und den Philosophen der Physik nur bedingt geeignet.

Dr. Michael Stöltzner, Abteilung Philosophie, Universität Bielefeld

 

Weitere Infos:

  • S. Bauberger:
    Was ist die Welt?
    Kohlhammer, Stuttgart, 2003. 234 S., 65 Abb., kartoniert,
    ISBN 3-17-018128-9
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