14.11.2006

10. Zukunftspreis für Spitzenforscher

Der renommierte Deutsche Zukunftspreis - eine Auszeichnung für marktreife Erfindungen - wird in diesem Jahr zum zehnten Mal vergeben.

10. Zukunftspreis für Spitzenforscher 

Berlin (dpa) - Wenn Bundespräsident Horst Köhler am 23. November den Deutschen Zukunftspreis verleiht, steht für Wissenschaftler in Deutschland ein Jubiläum ins Haus. Die renommierte Auszeichnung für marktreife Erfindungen, dotiert mit stolzen 250 000 Euro, wird in diesem Jahr zum zehnten Mal vergeben. Gemessen am finanziellen Erfolg der prämierten Ideen wie dem MP3-Dateiformat für Musikstücke, haben die drei Bundespräsidenten, die seit 1997 den Innovationspreis vergeben haben, bei der Auszeichnung mehrfach ins Schwarze getroffen. Doch der Zukunftspreis bedeutet mehr als Geld. Er belohnt Forscher, Tüftler und Talente, die ihre Entwicklungen trotz mancher Durststrecke durchboxen - und ihr Preisgeld oft wieder in die Forschung stecken.

Wer den Preis ist diesem Jahr erhält, ist - wie immer - ein gut gehütetes Geheimnis. Im Rennen sind ein schärferes Lichtmikroskop, eine neue Lasertechnik für Zelluntersuchungen, ein Nachtsicht- Assistent für Autofahrer und ein verbesserter Hirnschrittmacher für Parkinson-Patienten. Wer den Preis gewinnt, kann bei der Suche nach Investoren oder beim Verkauf seiner Idee einen Bonus einkalkulieren: Der Zukunftspreis gilt inzwischen als eine Art Garantie-Zertifikat für lohnende Ideen.

Was es heißen kann, zum handverlesene Kreis der Zukunftspreis-Kandidaten zu gehören, hat die Biologin Karin Schütze in diesem Sommer humorvoll geschildert. Jahrelang tüftelte sie im Keller ihres Einfamilienhauses im oberbayerischen Bernried gemeinsam mit ihrem Mann an einem neuen Laserverfahren. Es kann kranke Zellen wie eine scharfe Schere aus einem Zellverband herausschneiden und zur genaueren Untersuchung in die Höhe katapultieren. Im Kindergarten erzählte Schützes kleine Tochter in den 90er Jahren: «Meine Mama schneidet im Keller Spermienschwänze.» Das habe, erinnert sich die Biologin schmunzelnd, zu besorgten Anrufen der Erzieher geführt.

Es sei typisch für den Zukunftspreis, das hinter Erfindungen sehr persönliche Geschichten und ungewöhnliche Lebensläufe stünden, sagt die Mit-Organisatorin der Auszeichnung, Christiane Pudenz. «Es sind Menschen mit Visionen. Sie glauben an das, was sie entwickeln. Sie haben den festen Willen, es auch umzusetzen.» Pudenz schwärmt von «tollen Typen», von Ausstrahlung und Charme der Wissenschaftler und von ihrer ansteckenden Begeisterungsfähigkeit für die merkwürdigsten Dinge. «Und seien es seltsame Enzyme», sagt sie.

Bei der Auswahl aus vielen hochkarätigen Bewerbungen bewies die Zukunftspreis-Jury seit 1997 ein glückliches Händchen. Im Jahr 2000 prämierten sie das MP3-Komprimierungsverfahren für Musikstücke aus dem Fraunhofer-Institut Erlangen. Allein 2005 verkauften sich MP3- Spieler weltweit 140 Millionen Mal. 2003 ging die Auszeichnung an den Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck, der mit seinen Flüssigkristallen dem TV-Flachbildschirm mit zum Durchbruch verhalf. Furore machten auch das Forschungszentrum Jülich mit einer Technik für mehr Speicherdichte auf Computerfestplatten sowie Bosch und Siemens mit Ideen für saubere und sparsame Motoren.

Doch auch die Zukunftspreis-Ideen jenseits des Massenmarkts haben Wirkung gezeigt. Das «Labor auf dem Chip», das 2004 prämiert wurde, hat ein kleines Start-Up-Unternehmen als Ausgründung des Fraunhofer-Instituts für Siliziumtechnologie in Itzehoe (Schleswig-Holstein) möglich gemacht. «Wir entwickeln hier zum Beispiel tragbare Geräte, die biologische Kampfstoffe wie Antrax analysieren können», sagt der technische Leiter Lars Blohm. Die Firma arbeite auch an einer Auswertelektronik, die, klein wie ein Schuhkarton, Vogelgrippeviren später einmal direkt am Fundort toter Tiere entdecken soll.

Im Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie hat der Chemiker und Biologe Herbert Jäckle das 1999 prämierte Verfahren für die Diabetes-Behandlung weiterentwickelt. Jäckle untersucht unter anderem Wirkstoffe, die Insulin produzierende Zellen im Körper schützen. «Bei Typ-II-Diabetikern lässt sich das Insulin-Spritzen so über ein Jahr lang hinauszögern», berichtet er. Voraussichtlich 2008 soll die Innovation auf den Markt kommen.

Überraschungen beim Zukunftspreis hat es auch immer gegeben. Im Jahr 2001 ging der spätere Nobelpreisträger Theodor Hänsch bei der Verleihung leer aus. Die Ideen des Physikers waren der Jury zu wenig praxisnah. Der allererste Gewinner des Zukunftspreises, der Geraer Entwicklungsingenieur Christhard Deter, hat die Auslober des Preises noch Jahre später beeindruckt. Nach der Auszeichnung für sein Laser-TV 1997 begann der 56-Jährige zu promovieren. Mit 62 Jahren bestand er als einer der ältesten Studenten der Technischen Universität Chemnitz «summa cum laude». Unter dem Motto «erst machen, dann reden» hatte Deter noch nicht einmal seinen Kindern von der Prüfung erzählt.

Ulrike von Leszczynski, dpa

Die bisherigen Preisträger des Deutschen Zukunftspreises sind:

  • 1997: Der Ingenieur Christhard Deter von der Geraer Firma Laser- Display-Technologie KG für das «Laser-TV», eine Großbildprojektion mit Hilfe von Lasern.

  • 1998: Der Physiker Peter Grünberg vom Forschungszentrum Jülich für einen hochsensiblen Festplatten-Sensor, der die Speicherkapazität drastisch erhöht hat und heute in praktisch allen modernen Festplatten zu finden ist.

  • 1999: Die Direktoren Peter Gruss und Herbert Jäckle vom Max-Planck- Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen für ihre Arbeiten zu molekularbiologischen Verfahren für eine innovative medizinische Therapie, etwa bei Diabetes.

  • 2000: Bernhard Grill und Harald Popp vom Fraunhofer-Institut für integrierte Schaltungen (IIS) in Erlangen sowie Professor Karlheinz Brandenburg vom IIS in Ilmenau für das Datenkompressionsverfahren MP3 («Motion Picture Experts Group audio layer 3»).

  • 2001: Wolfgang Wahlster vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) für sprachverstehende Computer als Dialog- und Übersetzungsassistenten.

  • 2002: Die Biochemikerinnen Maria-Regina Kula und Martina Pohl des Instituts für Enzymtechnologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf für «sanfte» Chemie mit biologischen Katalysatoren, mit denen etwa hochwertige Chemikalien für die Herstellung von Medikamenten oder Duftstoffen erzeugt werden können.

  • 2003: Ein Team um Kazuaki Tarumi von der Firma Merck in Darmstadt für die Entwicklung von Flüssigkristallen für Fernseh-Flachbildschirme.

  • 2004: Rainer Hintsche, Walter Gumbrecht und Roland Thewes vom Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie im schleswig- holsteinischen Itzehoe und von Siemens für ein Labor auf dem Chip, mit dem sich schnell etwa Krankheitserreger feststellen lassen.

  • 2005: Drei Forscher von Robert Bosch in Stuttgart und Siemens VDO Automotive in Regensburg für die Entwicklung sparsamer Automotoren. Friedrich Boecking, Klaus Egger und Hans Meixner entwickelten gemeinsam die so genannte Piezo-Einspritztechnik, die Kraftstoff sparen und Abgase verringern hilft.

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