22.07.2021 • Plasma

Abgetaucht: Unterwasser-Plasma für das CO2-Recycling

Zeitaufgelöste Fotografien der Plasmazündung im Wasser stützen neue Hypothesen.

Plas­ma­ka­ta­lyse und plasma­unter­stützte Elekt­ro­lyse tech­nisch nutz­bar zu ma­chen, ist das Haupt­ziel des in­ter­diszi­plinären DFG-Son­der­for­schungs­be­reichs 1316 „Tran­siente Atmo­sphä­ren­druck­plas­men: vom Plasma zu Flüs­sigkeiten zu Fest­kör­pern“ an der Ruhr-Univer­si­tät Bo­chum (RUB). In die­sem Zusam­menhang ge­lang es einem Team der Ar­beits­gruppe Reak­tive Plas­men, den Zün­dungs­pro­zess von Plasma unter Wasser anzu­schauen und zeit­scharf zu verfol­gen. Erste Da­tens­ätze mit sehr hoher Zeitauf­lösung unter­stützen eine neue Hy­po­these zur Zün­dung die­ser Un­terwas­ser­-Plas­men: Im Nano­se­kun­den­bereich reicht die Zeit nicht aus, um eine Gasum­gebung zu for­men. Elekt­ro­nen, die durch Feldef­fekte er­zeugt werden, füh­ren zur Aus­breitung des Plas­mas. Das Nanose­kun­den-Plasma zündet direkt in der Flüs­sig­keit, unab­hängig von dem Vorzei­chen der Span­nung.

Abb.: An dem Versuchs­aufbau tüftelte die Physikerin Katharina Grosse ein...
Abb.: An dem Versuchs­aufbau tüftelte die Physikerin Katharina Grosse ein ganzes Jahr lang. (Bild: Damian Gorczany)

Wie das Plasma in kur­zer Zeit zün­det und wie die Zündung in der Flüssig­keit über­haupt erst mög­lich wird, hat Katha­rina Grosse unter­sucht. Dazu legte die mittler­weile pro­movierte Physi­ke­rin an eine haar­feine, in Wasser unterge­tauchte Elekt­rode für zehn Na­nosekun­den eine hohe Span­nung an. Das so er­zeugte starke elektri­sche Feld führt zur Zündung des Plas­mas. Mittels schneller optischer Spektro­skopie in Kombi­nation mit einer Model­lierung der Flüs­sig­keits­dyna­mik gelingt es der Bochu­mer For­scherin, Leistung, Druck und Tem­pe­ratur in diesen Unter­wasser­plasmen vorher­zu­sagen und so­mit den Zün­dungs­prozess und die Plas­ma­entwick­lung im Nano­se­kun­den­bereich aufzuklä­ren.

Ihre Beobach­tung: Zum Zeit­punkt der Zün­dung existie­ren ext­reme Verhält­nisse im Was­ser. Kurz­zei­tig ent­stehen Drü­cke von vie­len Tau­send Bar, was dem Druck am tiefs­ten Punkt im Pazifik ent­spricht oder die­sen so­gar über­steigt, sowie Tem­pe­raturen von vie­len tau­send Grad ähnlich zur Ober­flächen­tempera­tur der Sonne.

Abb.: Plasma­zün­dung unter Wasser – mehrere Plasma­ent­ladun­gen...
Abb.: Plasma­zün­dung unter Wasser – mehrere Plasma­ent­ladun­gen werden durch lange Be­lich­tungs­zeit ein­ge­fangen. (Bild: Damian Gorczany)

Die Aufnah­men stel­len die bisher gängige The­orie infrage. Diese ging bis­lang da­von aus, dass sich an der Spitze der Elekt­rode eine hohe ne­ga­tive Druckdif­ferenz bildet, die dazu führt, dass sich in der Flüssig­keit sehr kleine Risse mit Ausdeh­nun­gen im Be­reich von Nanome­tern bil­den, in de­nen sich dann das Plasma ausbrei­ten kann. „Man nahm an, dass eine Elektro­nenla­wine sich in den Rissen un­ter Wasser bildet und da­mit die Zündung des Plas­mas möglich macht“, so Achim von Keu­dell, In­haber des Lehr­stuhls für Experi­men­talphy­sik II. Die Aufnah­men des Bochu­mer For­schungsteams le­gen je­doch nahe, dass das Plasma „lokal in­nerhalb der Flüs­sigkeit gezündet wird“, er­klärt Grosse.

Bei ihrem Er­klärungs­ansatz bedient sich die Physike­rin am quanten­mechani­schen Tunnel­ef­fekt. Er be­schreibt die Tat­sache, dass Teil­chen eine Ener­giebarri­ere über­queren können, die sie nach den Gesetzen der klas­sischen Physik ei­gent­lich nicht überque­ren dürf­ten, weil sie da­für selbst zu wenig Energie besitzen. „Schaut man sich die Auf­nahmen der Plas­mazün­dung an, so deutet alles da­rauf hin, dass ein­zelne Elektro­nen durch die Ener­giebarri­ere der Wasser­moleküle zu der Elekt­rode hin tunneln und dort das Plasma lo­kal zünden, und zwar genau dort, wo das elektri­sche Feld am höchsten ist“, sagt Grosse. Eine The­orie, für die viel spricht und in der Fach­welt für große Diskussi­o­nen sorgt.

So faszinie­rend der Zün­dungs­prozess unter Wasser ist, so vielver­spre­chend sind auch die Er­geb­nisse der che­mischen Reaktion für die Praxis. Die Emis­sions­spektren zeigen, dass die Wasser­mo­leküle bei Na­nosekun­den-Pul­sen keine Gelegen­heit mehr ha­ben, den Druck des Plas­mas aus­zu­glei­chen. Durch die Plas­mazün­dung werden sie in ihre Be­stand­teile zer­legt, ato­maren Wasser­stoff und Sauer­stoff. Letzterer reagiert gern mit Ober­flä­chen. Und hier genau liegt das große Poten­zial, er­klärt Grosse: „Der frei gewor­dene Sauer­stoff kann möglich­erweise katalyti­sche Ober­flä­chen in elekt­ro­chemi­schen Zellen re-oxidie­ren, so­dass sie regene­riert wer­den und ihre ka­talyti­sche Ak­tivität wie­der voll ent­falten kön­nen.“

RUB / LK

 

 

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